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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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heute fuhr auch die U-Bahn nicht, wegen Gleisbauarbeiten. Warum nahm sie nicht einfach ein paar Tabletten, legte sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf?
    Er ließ die Motorhaube zufallen, sie zuckte zusammen.
    »Wahrscheinlich die Batterie«, sagte er, »du hättest in den letzten Tagen den Motor öfter mal anlassen sollen.«
    »Natürlich, ich setze mich jeden Morgen eine halbe Stunde in die Garage und lasse den Motor laufen. Warum hast du mir das nicht gesagt? Ich sitze gern in der Garage! Da ist es so schön ruhig und ...«
    »Mein Gott, Karen! Musst du immer so sarkastisch sein?«
    Er hat ja recht, dachte sie. Der Schnee fiel immer dichter, als wollte er all die unsinnigen und überflüssigen Worte verschlucken und sie ungesagt machen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie und versuchte ein Lächeln.
    Er nickte, aber sein Lächeln wirkte matt, als habe ihn das Zusammensein mit ihr erschöpft.
    Versuchen Sie, in Ihren Alltag zurückzufinden, Freude an kleinen Dingen zu empfinden – sie versuchte es ja, jeden Tag, aber irgendwie erfolglos.
    Sie streifte die Handschuhe ab, kramte in ihrer Handtasche nach dem Handy, zögerte kurz, als sie die Tablettenpackung sah, nahm dann aber doch nur das Handy heraus und wählte die gespeicherte Nummer des Taxiunternehmens.
    Mozart. Eine kleine Nachtmusik. In einer endlosen Tonschleife. Mozart, Karen, kann jeder lieben. Beethoven dagegen muss man verstehen. Ja, Mom, wie du, dachte sie.
    »Rechnen Sie mit zwanzig Minuten, überall ist Stau wegen dem Wetter«, sagte die Frauenstimme am Telefon.
    »Zwanzig Minuten!«, brauste sie auf. »Bis dahin bin ich ja zu Fuß längst da! Es gibt ... Es wird doch wohl möglich sein ...«
    »Es tut mir leid, wollen Sie nun einen Wagen bestellen oder nicht?«, unterbrach die Frau sie.
    »Würde ich Sie sonst anrufen?«, gab sie zu patzig zurück, nannte aber dann doch ihre Adresse.
    Zwanzig Minuten! Noch mal zwanzig Minuten Fahrt, macht vierzig Minuten ...
    »He, wir schaffen’s schon!« Michael rieb sich die Hände so gründlich an einem Lappen ab, als hätte er gerade einen ganzen Motor auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Sie wusste nicht genau, was er meinte. Dass sie wieder zueinanderfanden oder dass sie rechtzeitig zur Preisverleihung kamen.
    Er warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu, aber sie wusste, dass er sich dazu zwang. Was hab ich nur gegen ihn? Er ist aufmerksam, intelligent, sieht gut aus mit seinen kurzen grauen Haaren und der olivfarbenen Haut, die Frauen drehen sich nach ihm um. Sie fühlte sich unwohl, ungenügend und gefangen. Warum bist du nicht ein bisschen fröhlicher, Karen? Ich kann nicht, es geht einfach nicht.
    Sie machte einen Schritt nach draußen, hob das Gesicht zum grauschwarzen Himmel und spürte die wässrigen Schneeflocken wie Nadeln, die schmerzhaft in sie eindrangen. Schnell trat sie zurück in die Garage. Ausgerechnet heute. An ihrem wichtigen Tag. Ausgerechnet heute schneite es. Ausgerechnet heute sprang das Auto nicht an. Ausgerechnet heute steckte das Taxi fest. Es kam ihr vor, als hätten sich irgendwelche Kräfte verbündet, um sie von etwas zurückzuhalten. Sie griff in die Handtasche und tastete nach der Packung. Eine Tablette, und die Welt tritt einen Schritt zurück. So einfach war das. Manchmal. Michael warf ihr einen fragenden Blick zu, und sie machte die Tasche wieder zu. Sie würde es auch ohne schaffen. Die paar Stunden wenigstens.
    Endlich näherten sich zwei gelbliche Scheinwerfer durch den tiefgrauen Schneevorhang, blieben schließlich in der Hecke vor dem Garagentor hängen. Das Taxi, endlich.
    »Das ist ja ein Weltuntergangswetter!«, sagte der Taxifahrer gut gelaunt, während sie sich auf die Rückbank schoben. »Am besten, man bleibt zu Hause.«
    »Ja, aber wir müssen weg«, sagte Michael. Auf einmal war auch er gut gelaunt. »Wir müssen auf dem schnellsten Weg zur BA Banque & Assurance, Place de la Bourse, meine Frau bekommt dort in genau ...«, er sah auf seine Armbanduhr – eine Maurice Lacroix , von der er sich einfach nicht trennen wollte, obwohl Karen sie nicht mochte, für sie war es eine Altherrenuhr, »... vierzig Minuten den Press Award verliehen. Und wenn sie nicht rechtzeitig kommt, dann ist das eine ...«
    »... eine Katastrophe«, beendete der Taxifahrer den Satz. »Alles klar.«
    Michael lächelte erst den Taxifahrer an, dann sie. Wenn Michael so leutselig wurde, kam es ihr vor, als machte er das absichtlich, um ihr zu demonstrieren, was für ein netter

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