Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
hatte das Staten Island University Hospital mitgeteilt. Sie waren unterernährt und hatten zweifellos ein psychisches Trauma erlitten. Aber rein körperlich fehlte ihnen nichts, was nicht mit der Zeit heilen würde.
Tatsächlich hatte Sandra Berington Operationen an den Mädchen durchgeführt und jede war ein Erfolg. Die Chancen standen gut, dass die Kinder ihre Beine bewegen und nach der entsprechenden Physiotherapie über kurz oder lang ein relativ normales Leben führen konnten. Diese Narben würden heilen. Aber was war mit den psychischen Narben?
Man würde alles nur Denkbare versuchen, auch diese zu heilen – davon war Hiller überzeugt. Aber das war ein langwieriger Prozess und er hoffte, dass die Mädchen irgendwann nicht mehr darunter leiden mussten.
Laut Untersuchungsergebnis der FBI-Mediziner waren die Mädchen nicht sexuell missbraucht worden. Somit schied dieses Motiv aus. Letztlich würde sich Hillers Annahme bestätigen, dass Sandra Berington das alles nur aus Besessenheit zu ihrer großen Liebe, Edward Reynolds, gemacht hatte. Vermutlich konnte sie nicht verstehen, dass die Eltern der Mädchen die Operationen abgelehnt hatten . N achdem Edward Reynolds sich das Leben genommen hatte , sah sie sich dazu auserwählt, sein Werk fortzusetzen. Um jeden Preis.
Vermutlich führte sie an Melissa Brighton die erste Operation durch. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sie an den Folgen der Operation starb, oder nach der Operation vom Hals abwärts gelähmt war und Sandra sie von ihren Qualen erlösen wollte. Hiller vermutete aber Ersteres, was dazu führte, dass Sandra aus den Fehlern lernte und dadurch die Operationen bei den anderen Mädchen erfolgreich durchführte .
Die FBI-Profiler hatten von Sandra ein Profil erstellt. Darin gingen sie von einer Persönlichkeitsspaltung aus, die durch die Namensänderung und der zuvor erfolgten Heilung ausgelöst wurde. Es gab die böse , verbitterte Sandra, die nach dem Reitunfall alle Aggression dieser Welt in sich gesammelt hatte und die glückliche Sandra, die nach der Operation wieder laufen konnte. Diese Spaltung hatte sich vermutlich im Laufe der Jahre verstärkt und war schließlich durch den Tod Edward Reynolds akut geworden. All die grausamen Verbrechen wären demnach ihrem bösen, aggressiven Ich zuzuschreiben. Anhand der Unzahl Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerztabletten, die man in ihrer Wohnung und der Praxis gefunden hatte, war auch eine halluzinogene Wechselwirkung nicht ausgeschlossen, was es möglich machte, dass sie dieses böse Ich als eine Art Gottheit sah, deren Willen sie ohne Hinterfragen ausführte. In Zusammenhang mit ihrer Besessenheit gegenüber Edward Reynolds gab es für die Profiler keinen Zweifel, dass sie zu den Morden an den Mädchen, insbesondere Patricia White, imstande gewesen wäre. Als zusätzliches Indiz wurden Spuren eines Zündstoffes in Sandras Appartement sichergestellt. Es handelte sich um jenen Zündstoff, mit dem der Brand im Haus der Whites gelegt worden war. Woher Sandra gewusst hatte, wie sie das Brandmittel anbringen musste, liegt derzeit im Dunkeln. Vermutlich gab es einen Komplizen, der sich somit der Mithilfe zur Brandstiftung und möglicherweise auch des Mord es schuldig machte. Verdächtige Personen wurden zu diesem Zeitpunkt einvernommen. Geständnis lag noch keines vor.
Das FBI ging davon aus, dass Sandra sich selbst verbrannt hatte. Möglicherweise war sie von ihrer Besessenheit und Liebe zu Edward Reynolds übermannt worden und hatte dann unter Medikamenteneinfluss die Entscheidung getroffen, wie ihre große Liebe und ihr Gott, der ihr das Gehen geschenkt hatte, aus dem Leben zu scheiden. Vielleicht war es aber auch das schlechte Gewissen, das sich mehr und mehr aufschaukelte? Die toten Mädchen und die Ungewissheit, ob die drei anderen überleben würden? Man wusste es nicht. Es gab keinen Abschiedsbrief oder sonstige Hinweis e , d ie Aufschluss über diese Entscheidung gegeben hätte n . Fremdverschulden schlossen die Ermittler jedoch aus .
Neben Sandras Leiche fand man die verbrannten Reste eines Buches. Patricia Whites Tagebuch. Doktor Hamada sagte aus, dass er Sandra das Tagebuch überlassen hatte, nachdem er es Jack Reynolds abgenommen hatte. Sandra wollte es als Druckmittel benutzen, soll sie Hamada gegenüber behauptet haben. Offenbar hatte Sandra das Tagebuch letztlich verbrannt. Einer der FBI-Ermittler war davon überzeugt, dass Sandras Tod auch ein Unfall gewesen sein könnte. Viele der
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