Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
worden war. Doktor Beatrice Overlook hatte ausgesagt, dass Sandra ihn des Öfteren besucht haben soll und Edward Reynolds nach den Besuchen seltsam aufgebracht war. Da Sandra die Mädchen verbrannt hatte, schloss das FBI nicht aus, dass sie auch Edward Reynolds auf diese Weise ermordet haben könnte. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird in etwa einem Monat vorliegen.
Die Mädchen wurden zu den Vorfällen noch nicht befragt. Die Einvernahme n würde n von geschulten Kinderpsychologen des FBI durchgeführt werden und sollten Aufschluss geben, wie Sandra die Voruntersuchungen und Entführungen durchgeführt hatte. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass sie die Kinder in ihren Wagen gelockt hatte, mit dem Vorwand, weitere Untersuchungen durchzuführen und mit ihnen in die Praxis zu fahren. So gesehen war es ein Leichtes für Sandra, die Kinder ohne Aufsehen zu erregen in den Keller zu bringen.
Das FBI hatte den Garten hinter Reynolds Haus durchsucht und einen Kohlenschacht gefunden, der in den ursprünglichen Keller führte. Der Eingang war durch Gestrüpp abgedeckt und in dem hohen Gras nicht zu sehen gewesen. Sandra hatte die Einrichtung in Einzelteile zerlegt und nachts in den Raum gebracht, wo sie die Möbel wieder zusammengebaut hatte. Diese Vermutung bestätigte sich beim Ausräumen des Raumes, da ausschließlich Selbstbaumöbel verwendet worden waren.
Jack Re ynolds wurde mit allen Ehren auf dem Patterson Cemetery auf Staten Island, in der Nähe seiner Feuerwache, beigesetzt. Seine Kameraden hatten einen Trauerzug organisiert und den Sarg auf einem der Löschfahrzeuge von der Wache zum Friedhof begleitet. Etwa 200 Menschen schlossen sich diesem Zug an. Die meisten davon in Uniformen des FDNY. Der Captain, Joe Felini, hielt eine fünfzehnminütige Ansprache an Jacks Grab, in der er unter anderem Jack Reynolds als einen der tapfersten Männer bezeichnete, die er jemals getroffen hatte.
Als Jacks Sarg hinabgelassen wurde, nahmen die Männer vom Firedepartment die Kappen ab und salutierten ihrem Kameraden. Ein bewegender Moment, wie ihn Hiller nur selten in seinem Leben erleben durfte.
Jack Reynolds hatte 54 Menschen das Leben gerettet. Alle waren zur Beerdigung gekommen . Alle warfen Blumen auf seinen Sarg. Alle trauerten um einen Mann , der in seinem Leben nur zwei Dinge wollte: Diese höllische Bestie bekämpfen und den Menschen helfen.
Dieser Mann wurde aufgrund falscher Indizien w ährend einer Vernehmung durch siebzehn Schüsse ermordet.
Das FBI hatte posthum alle Vorwürfe gegen Jack Reynolds bezüglich der Ermordung von Melissa Brighton und Patricia White fallengelassen. Die Behörden gestanden zu, die Hinweise falsch interpretiert zu haben und wiesen nachdrücklich darauf hin, dass sich diese falschen Anschuldigungen garantiert aufgeklärt hätten.
Allerdings bestand noch ein Verdacht auf Mitwisserschaft. Agent Seal meinte, dass Jack von den Entführungen der Mädchen und deren Aufenthaltsort gewusst haben musste, und schloss nicht aus, dass er daran in welcher Weise auch immer beteiligt gewesen war. Vielleicht hatte er die Behörden informieren wollen, bevor er das Gedächtnis verloren hatte. Vielleicht aber auch nicht. Der Grund für diesen Verdacht waren Jacks Zeichnungen. Wie konnte er die Farben der Kleider gekannt haben? Doch nur dann, wenn er die Mädchen gesehen hatte.
Seal hatte Recht. Für Hiller gab es daher zwei Möglichkeiten. Jack Reynolds wusste von den Entführungen, hatte die Mädchen gesehen und die Bilder aus seiner Erinnerung gezeichnet – oder er hatte tatsächlich Kontakt mit dem Geist seiner Zwillingsschwester Any, die ihm diese Bilder irgendwie aus dem Jenseits gesandt hat te , um ihn auf den Horror aufmerksam zu machen, der sich in diesem Haus abgespielt hat te .
Hiller schüttelte den Kopf und strich über die kalte Wand des Kellers.
Glauben Sie an Übersinnliches? , hatte Doktor Overlook ihn gefragt.
Nein danke. Verzichte , hatte er geantwortet.
Hiller hob den Kopf und blickte zur Kellerdecke.
Für ihn konnte es nur eine einzige Erklärung für die se Zeichnungen geben.
»Any?«, fragte Hiller. »Bist du noch hier?«
Er horchte. Dann lächelte er .
»Grüße Jack von mir«, sagte er, winkte zur Kellerdecke und stieg die T reppe nach oben.
Nachwort
Es geschah im September 2006. Ich hatte mich für ein Schriftsteller-Seminar in Frankfurt angemeldet. Wie schreibt man ein gutes Expos é ? lautete das Thema. Anhand eines mitgebrachten Expos é s wurden Fehler
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