Das Tahn-Kommando
die Helme und warteten ab.
Die Anzeigen, die es hier in jedem Zimmer und in jedem Büro gab, schwankten kurzzeitig und pendelten sich dann wieder ein.
»Unser Freund ist ausgegangen«, sagte Alex über Helmfunk.
Sten antwortete nicht. Er hatte das Büro auf der Suche nach der nächsten Luftschleuse schon wieder verlassen.
Die matschige Straße vor dem Bürogebäude war jetzt voller Bergarbeiter. Sherman führte sie an. Sten blieb stehen und klappte sein Visier auf.
»Wir sind zu dem Schluss gekommen«, verkündete Sherman unumwunden, »dass ihr euer Gesetz habt, und wir haben unseres. Wir brauchen einen Arzt. Wir haben einen Arzt. Und wir werden ihn hier behalten.«
Sten fielen nicht besonders viel Drohungen ein, die wirklich angebracht waren.
»Wir stellen uns allen Konsequenzen«, meinte Sherman. »Falls es überhaupt welche geben sollte.«
»Soll das heißen, Mädel«, warf Alex mit traurigem Tonfall ein, »dass ihr nicht die Absicht habt, uns von hier wegzulassen?«
Sherman nickte.
Stens Anzug war im großen und ganzen ein Duplikat des Modells, das die Arbeiter und Sherman trugen. Da er jedoch im Auftrag des Imperiums hergestellt worden war, verfügte er über die eine oder andere Besonderheit, von der Sten hoffte, dass keiner der Anwesenden sie bereits kannte.
Er nahm einen rechteckigen Behälter vom Gürtel.
Während sich sein Visier schloss, schraubte er den Verschluss des Containers ab. Ein dünner, sichtbarer Sprühnebel zischte heraus, und Sten schleuderte den Behälter mitten zwischen die Arbeiter. Dann stellte er seinen Helmfunk auf volle Lautstärke, rief: »Gas!
Das ist ein ätzendes Gas!« und lief selbst davon.
Einige Sekunden lang waren die Arbeiter damit beschäftigt, sich vor dem fauchenden und zischenden Behälter in Sicherheit zu bringen; dann rannten sie verwirrt auf der Straße herum und fragten sich, wo Alex und Sten geblieben waren.
Als Shermans im Anzug eingebauter Analysator anzeigte, dass der Behälter nicht mehr enthielt als einen Reservetank Atemluft – die nur aus Platzgründen als Flüssigkeit transportiert wurde, standen Sten und Alex bereits vor einer Schleusentür.
»Och«, maulte Alex, während er Sten in die innere Kammer schob, »ich will gern derjenige sein, der die nachdrängenden Horden an der Brücke aufhält.«
Bevor Sten ihm antworten konnte, sprang Alex zurück und betätigte den Verschlußmechanismus, was Sten keine andere Wahl ließ, als dort draußen allein nach Stynburn zu suchen.
Alex drehte sich um, und da kam auch schon der Mob wie ein wildes Tier auf ihn zugestoben. »Na, was jetzt?« rief er ihnen entgegen. »Wer will der erste sein?«
Der erste war ein Arbeiter, der seine Kollegen und Alex um mehrere Köpfe überragte. Alex blockte seinen Schlag ab und holte selbst aus. Der Block zerschmetterte die Panzerung am Armteil des Anzugs des Angreifers, und der Schlag beförderte das Monster mitten in die Menge zurück. Kulak war eine Welt mit vergleichsweise geringer Schwerkraft – und Kilgour war ein Schwerweltler. Der Mob kam näher heran, und die Situation wurde brenzlig.
Einigermaßen brenzlig, da die Messer, die die meisten Arbeiter bei sich trugen, im Inneren ihrer Anzüge steckten und sie auch nicht genug Platz hatten, um ihre Spatenkanonen abzufeuern – jedenfalls nicht, ohne dabei das Risiko einzugehen, mit den Geschossen die nahe Kuppelwand zu durchschlagen.
Demnach stellte sich Alex-von-der-Luftschleuse auf eine zünftige Prügelei ein. In jeder anderen Gesellschaft hätte man so etwas ein Massaker genannt, doch auf Kulak war es kaum mehr als eine Schlägerei, von der man noch einige Jahre reden würde, bis alle Beteiligten entweder gestorben waren oder mit einem kleinen Vermögen unter dem Arm den Planeten verlassen hatten.
Und es gab nichts, was Alex mehr liebte als eine zünftige Prügelei. In Bewegung sah er aus wie ein schwer gepanzerter Ball, der immer wieder vom Schleuseneingang abprallte, auf ein genau anvisiertes Ziel traf und wieder in die Ausgangsposition zurücksprang, ein gepanzerter Ball, der verwirrenderweise halbvergessene und schreckliche Gedichtzeilen zitierte.
»Da sprach Horatius, der Kühne,
Der Krieger vor dem Tor:
Ein jeder, der sich wagt hervor,
Kriegt jetzt oder später
kräftig was aufs Ohr.«
Das Ohr war in diesem Fall das zerschlagene Visier eines Arbeiters und eine beinahe tödliche Gehirnerschütterung. Alex hatte keine Zeit, den Mann fallen zu sehen, denn schon packte er einen Arm, der eine
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