Das Tao der Physik
Gell-Mann gab diesen
Einheiten den phantasievollen Namen »Quarks« nach der
Zeile »Three quarks for Muster Mark« in James Joyces Finnegan's Wake, als er ihre Existenz postulierte. Gell-Mann gelang
es, eine große Anzahl von Hadronenstrukturen wie die oben
erwähnten Oktette und das Dekuplett zu erklären, indem er
seinen drei Quarks und deren Antiquarks die entsprechenden
Quantenzahlen zuwies und dann diese »Bausteine« zu verschiedenen Kombinationen zusammensetzte, um Baryonen
und Mesonen zu bilden, deren Quantenzahlen man ganz einfach dadurch erhält, daß man die Quantenzahlen der sie bildenden Quarks addiert. In diesem Sinn kann man sagen, daß
Baryonen aus drei Quarks »bestehen«, ihre Antiteilchen aus
den entsprechenden Antiquarks und Mesonen aus einem
Quark plus einem Antiquark.
Die Einfachheit und Wirksamkeit dieses Modells ist verblüffend, aber es führt zu großen Schwierigkeiten, wenn man die
Quarks ernsthaft als tatsächliche physikalische Bestandteile
von Hadronen auffaßt. Bisher wurden noch keine Hadronen in
die sie bildenden Quarks aufgespalten, obwohl sie mit den
höchsten zur
Verfügung stehenden Energien bombardiert
wurden, was bedeutet, daß Quarks von extrem starken Bindungskräften zusammengehalten werden müßten. Nach unserem gegenwärtigen Verständnis von Teilchen und ihren Wechselwirkungen müssen andere Teilchen mitbeteiligt sein, und die
Quarks müssen folglich irgendeine Art von Struktur aufweisen,
genau wie alle anderen wechselwirkenden Teilchen. Das Wesentliche am Quark-Modell sind jedoch seine punktförmigen
und strukturlosen Elemente. Aufgrund dieser fundamentalen
Schwierigkeit war es bisher nicht möglich, das Quark-Modell
auf konsistente Weise dynamisch zu formulieren, um den
Symmetrien und den Bindungskräften Rechnung zu tragen.
Im vergangenen Jahrzehnt fand mittels Experimenten eine
heftige, aber bisher erfolglose »Jagd nach dem Quark« statt.
Wenn einzelne Quarks existierten, müßten sie stark auffallen,
da sie nach dem Gell-Mann-Modell eine Reihe von sehr ungewöhnlichen Eigenschaften aufweisen müssen wie elektrische
Ladungen von 1/3 und 2/3 der Elektronenladung, die in der
Teilchenwelt gar nicht auftreten. Trotz intensivster Suche wurden Teilchen mit solchen Eigenschaften bisher nicht beobachtet. Das ständige Mißlingen ihrer experimentellen Entdeckung
und die erheblichen theoretischen Widersprüche zu ihrer Existenz lassen die Realität von Quarks äußerst zweifelhaft erscheinen.
Andererseits bleibt das Quark-Modell bei der Beschreibung
der Regelmäßigkeiten der Teilchenwelt sehr erfolgreich, obwohl es nicht mehr in seiner ursprünglichen einfachen Form
benutzt wird. In Gell-Manns ursprünglichem Modell konnten
alle Hadronen aus drei Arten von Quarks und deren Antiquarks gebildet werden, aber mittlerweile mußten die Physiker
zusätzliche Quarks postulieren, um der großen Vielfalt von
Hadronenstrukturen Rechnung zu tragen. Die drei ursprünglichen Quarks wurden ziemlich willkürlich mit«, d und s für »up«
(auf), »down« (ab) und »strange« (fremd) benannt. Das Modell, das aus der detaillierten Anwendung der Quark-Hypothese auf die Gesamtheit der Teilchendaten entstand, wurde
zunächst durch die Forderung erweitert, jedes Quark müsse in
drei verschiedenen Varianten oder »Farben« vertreten sein.
Die Verwendung des Begriffs »Farbe« ist natürlich ganz willkürlich und hat nichts mit der ursprünglichen Bedeutung des
Wortes zu tun. Nach dem farbigen Quarkmodell bestehen Baryonen aus drei Quarks verschiedener Farbe, während Mesonen aus einem Quark plus einem Anti-Quark derselben Farbe
bestehen.
Die Einführung von Farben ließ die Gesamtzahl der Quarks
auf neun anwachsen. Und in jüngster Zeit wurde ein weiteres,
ebenfalls in drei Farben existierendes Quark postuliert, Physiker neigen stets zu phantasievollen Benennungen und benannten dieses Quark mit c für »charm«. Das brachte die Gesamtzahl der Quarks auf zwölf - vier Arten, deren jede in drei Farben auftritt. Um diese unterschiedlichen Arten von Quarks von
den verschiedenen Farben zu unterscheiden, führten die Physiker bald noch den Ausdruck »flavour« (Geschmack) ein, und
jetzt sprechen sie von Quarks unterschiedlicher Farben und
Flavours.
Die große Zahl von Gesetzmäßigkeiten, die mit Hilfe dieser
zwölf Quarks beschrieben werden kann, ist in der Tat eindrucksvoll.* Zweifellos weisen Hadronen »Quark-Symmetrien« auf. Obwohl unser gegenwärtiges Verständnis von Teilchen und ihren
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