Das Tao der Physik
individuellen Teilchens genau anzugeben. Falls dies wie in der Feldtheorie getan wird, kommt man an
mathematische Widersprüche, die in der Tat das Hauptproblem
aller Quanten-Feldtheorien darstellen. Die S-MatrixTheorie umgeht dieses Problem, indem sie die Impulse der Partikel angibt, über das Gebiet aber, in dem die Reaktion stattfindet, nur vage Aussagen macht.
Das Wichtige an der S-Matrix-Theorie ist, daß nicht mehr
Objekte, sondern Ereignisse betont werden, nicht mehr die
Teilchen, sondern ihre Reaktionen. Beide, Quantentheorie
und Relativitätstheorie, benötigen diese Verlagerung. Einerseits stellte die Quantentheorie klar, daß subatomare Teilchen
nur als Manifestationen der Wechselwirkung zwischen verschiedenen Meßverfahren zu verstehen sind. Es ist eine Erscheinung oder ein Ereignis, weniger ein isoliertes Objekt, das
andere Ereignisse auf unbestimmte Art miteinander verbindet.
Mit den Worten Heisenbergs:
(In der modernen Physik) hat man jetzt die Welt nicht in verschiedene Gruppen von Objekten eingeteilt, sondern in verschiedene
Gruppen von Verknüpfungen .. . Was man wirklich unterscheiden
kann, ist die Art der Verknüpfungen, die für gewisse Erscheinungen
in erster Linie wichtig sind. 1
Andererseits zwang uns die Relativitätstheorie, Teilchen in
Raum-Zeit-Begriffen zu erfassen: als vierdimensionale Strukturen, als Prozesse, weniger als Objekte. Der S-Matrix-Formalismus kombiniert diese beiden Ansichten. Unter Benutzung
des vierdimensionalen mathematischen Formelsystems der Relativitätstheorie werden alle Eigenschaften der Hadronen ausgedrückt durch Reaktionen (oder, genauer, durch Reaktionswahrscheinlichkeiten), und es stellt so eine enge Verbindung
zwischen Teilchen und Prozessen her. Jede Reaktion beteiligt
Teilchen, die sie mit anderen Reaktionen verbindet und so ein
ganzes Netzwerk von Prozessen aufbaut.
Ζ. Β. kann ein Neutron an zwei aufeinanderfolgenden Reak
tionen teilnehmen, an denen verschiedene Teilchen beteiligt
sind: an der ersten etwa ein Proton und ein π + , an der zweiten
ein Σ – und ein K + . Das Neutron verbindet so diese beiden
Reaktionen und integriert sie in einen größeren Prozeß (s. folgendes Diagramm a). Jedes der in diesen Prozeß einlaufenden
und auslaufenden Teilchen ist an anderen Reaktionen beteiligt;
so kann das Proton zum Beispiel aus einer Wechselwirkung
zwischen einem K + und einem Λ entstehen; das K + in der ur
sprünglichen Reaktion kann an ein K – und ein π 0 gekoppelt
sein, das π – an drei weitere Pionen (s. folgendes Diagramm b).
Das ursprüngliche Neutron ist somit ein Teil eines ganzen
Netzwerks von Wechselwirkungen, die alle von der S-Matrix
(a)
(b)
beschrieben werden. Die Verknüpfungen in einem solchen
Netzwerk sind allerdings nur als Wahrscheinlichkeiten zu beschreiben. Jede Reaktion tritt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf, die von der verfügbaren Energie und den charakteristischen Merkmalen der Reaktion abhängt, und diese Wahrscheinlichkeiten sind durch die verschiedenen Elemente der
S-Matrix gegeben.
Dieses Verfahren erlaubt, die Struktur eines Hadrons auf dynamische Art zu definieren. Zum Beispiel kann das Neutron in
unserem Netzwerk als »gebundener Zustand« des Protons und
des π – , aus denen es entsteht, gesehen werden, und ebenso als
gebundener Zustand des Σ – und des K + , in die es zerfällt. Beide
dieser Hadronen-Kombinationen und viele andere mehr können ein Neutron bilden, und folglich kann man sagen, daß sie
Bestandteile der »Struktur« des Neutrons sind. Die Struktur
eines Hadrons ist daher nicht als definitive Anordnung von Bestandteilen aufzufassen, sondern ist durch alle Gruppen von
Teilchen gegeben, die miteinander wechselwirken können, um
das betrachtete Hadron zu bilden. Somit existiert ein Proton
potenziell als ein Neutron-Pion-Paar, als Kaon-Lambda-Paar
und so weiter. Das Proton kann auch in jede dieser Teilchenkombinationen zerfallen, sofern genug Energie verfügbar ist.
Die Tendenzen eines Hadrons, in verschiedenen Manifestationen zu existieren, werden durch die Wahrscheinlichkeiten für
die entsprechenden Reaktionen ausgedrückt, die alle als
Aspekte der inneren Struktur des Hadrons angesehen werden
können.
Mit der Definition der Struktur eines Hadrons als Tendenz,
verschiedene Reaktionen zu durchlaufen, gibt die S-MatrixTheorie dem Begriff »Struktur«
einen dynamischen Inhalt.
Gleichzeitig stimmt diese Auffassung von der Struktur mit den
experimentellen Fakten völlig
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