Das Tao der Physik
Wechselwirkungen die Existenz physikalischer
Quarks ausschließt, verhalten Hadronen sich oft, als bestünden
sie aus punktförmigen Elementarbausteinen. Die paradoxe Situation des Quarkmodells erinnert stark an die frühen Tage der
Kernphysik, als ebenso verblüffende Paradoxa den Physikern
einen gewaltigen Durchbruch in ihrem Verständnis der subatomaren Teilchen ermöglichten. Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, steht dieser Durchbruch jetzt bevor. Eine
Handvoll Physiker steht an der Schwelle der Lösung des Quark-Koan und haben aufregende neue Gedanken über die
Natur der physikalischen Realität entwickelt.
* Siehe S. 315 ff., wo die neueren Entwicklungen des Quarkmodells erörtert
werden.
Die Entdeckung symmetrischer Muster auf der Ebene der
Teilchen ließ viele Physiker glauben, daß diese Strukturen die
Grundgesetze der Natur wiedergeben. Während der vergangenen fünfzehn Jahre wurde viel Mühe auf die Suche nach einer
letzten »fundamentalen Symmetrie« aufgewendet, die alle bekannten Teilchen umfaßt und so die Struktur der Materie »erklärt« . Dieses Ziel gibt eine philosophische Haltung wieder, die
von den alten Griechen übernommen und durch viele Jahrhunderte kultiviert wurde. Symmetrie, zusammen mit Geometrie,
spielte in der griechischen Wissenschaft, Philosophie und Kunst
eine wichtige Rolle; sie wurden mit Schönheit, Harmonie und
Vollkommenheit gleichgesetzt. So betrachteten die Pythagoräer symmetrische Zahlenanordnungen als das Wesen aller
Dinge. Plato glaubte, daß die Atome der vier Elemente die
Form von regelmäßigen festen Körpern hätten, und die meisten
griechischen Astronomen glaubten, daß die Himmelskörper
sich in Kreisen bewegten, weil der Kreis die geometrische
Figur mit dem höchsten Grad von Symmetrie ist.
Die Einstellung der östlichen Philosophen zur Symmetrie
steht in auffallendem Gegensatz zu der der alten Griechen. Mystische Traditionen im Fernen Osten benutzen symmetrische
Strukturen häufig als Symbole oder als Meditationshilfen, aber
der Begriff der Symmetrie spielt in ihrer Philosophie anscheinend keine größere Rolle. Wie die Geometrie wird Symmetrie
als eine Konstruktion des Verstandes betrachtet und nicht als
eine Eigenschaft der Natur, und somit ist sie nicht von fundamentaler Bedeutung. So haben viele östliche Kunstformen eine
auffallende Vorliebe für Asymmetrie und vermeiden oft alle
regelmäßigen oder geometrischen Formen. Die vom Zen inspirierten Bilder Chinas und Japans, oft im sogenannten »Stil der
einen Ecke« ausgeführt, oder die unregelmäßige Anordnung
der Steinplatten in japanischen Gärten verdeutlichen diesen
Aspekt der fernöstlichen Kultur.
Es scheint also, daß die Suche nach fundamentalen Symmetrien in der Teilchenwelt zu unserem hellenischen Erbe gehört,
das mit der allgemeinen Weltanschauung, die sich aus der modernen Wissenschaft zu kristallisieren beginnt, irgendwie unvereinbar ist. Die Betonung der Symmetrie ist jedoch nicht der
einzige Aspekt der Teilchenphysik. Im Gegensatz zur statischen Symmetrie gab es immer eine dynamische Richtung des
Denkens, die die Teilchenstrukturen nicht als fundamentale
Züge der Natur betrachtet, sondern sie als Folge der dynamischen Natur und der grundsätzlichen Zusammenhänge der
subatomaren Welt zu verstehen versucht. Die letzten beiden
Kapitel zeigen, wie diese Richtung im vergangenen Jahrzehnt
eine radikal andere Ansicht von Symmetrien und Naturgesetzen entstehen ließ, die sowohl mit der bisher beschriebenen
Weltanschauung der modernen Physik harmoniert als auch mit
der östlichen Philosophie übereinstimmt.
Strukturen im Wandel 17
Die Darstellung der Teilchensymmetrien in einem dynamischen Modell, das die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen beschreibt, ist eine der größten Herausforderungen der
heutigen Physik. Das Problem besteht letztlich darin, wie die
Quantentheorie und die Relativitätstheorie gleichzeitig herangezogen werden können. Die Strukturen der Teilchen scheinen
ihre »Quanten-Natur« widerzuspiegeln, da ähnliche Strukturen bei den Atomen auftreten. In der Teilchenphysik können
sie jedoch nicht als Wellenformen im Rahmen der Quantentheorie aufgefaßt werden, da die beteiligten Energien so groß
sind, daß die Relativitätstheorie angewendet werden muß. Daher kann man nur von einer »quanten-relativistischen« Theorie
der Teilchen erwarten, daß sie die beobachteten Symmetrien
erklärt. Die Quanten-Feldtheorie war das erste Modell dieser
Art. Sie gab eine
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