Das Tao der Physik
ausgezeichnete Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Photonen, ist für die Beschreibung von stark wechselwirkenden
Teilchen aber weit weniger geeignet.* Als immer mehr dieser
Teilchen entdeckt wurden, stellte es sich bald als höchst unbefriedigend heraus, jedes von ihnen mit einem Grundfeld zu assoziieren. Da die Welt der Teilchen sich als ein immer komplexeres Gewebe von zusammenhängenden Prozessen erwies,
mußten die Physiker nach anderen Modellen Ausschau halten,
um diese dynamische und ständig wechselnde Realität wiederzugeben. Benötigt wurde ein mathematisches Formelsystem,
das die große Vielfalt von Hadronenstrukturen dynamisch beschreiben könnte: ihre dauernde Umwandlung ineinander, ihre
gegenseitige
Wechselwirkung durch den Austausch anderer
Teilchen, die Bildung von »gebundenen Zuständen« von zwei
oder mehr Hadronen und ihr Zerfall zu verschiedenen Teilchenkombinationen. All diese Prozesse, die oft ganz allgemein
* S. S. 314 ff.
»Teilchenreaktionen« genannt werden, sind wesentliche Züge
der starken Wechselwirkungen und müssen in einem quantenrelativistischen Modell der Hadronen berücksichtigt werden.
Der Rahmen, der für die Beschreibungen von Hadronen und
ihren Wechselwirkungen am geeignetsten scheint, heißt
»S-Matrtx-Theorie«. Ihr Schlüsselbegriff, die S-Matrix, war ursprünglich 1943 von Heisenberg vorgeschlagen worden und
wurde in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer komplexen mathematischen Struktur ausgebaut, die für die Beschreibung der
starken Wechselwirkungen ideal erscheint. Die S-Matrix versammelt die Wahrscheinlichkeiten für alle möglichen Reaktionen mit Hadronen. Ihr Name stammt daher, daß man sich die
Gesamtzahl der möglichen Hadronenreaktionen in einer endlosen Anordnung vorstellen kann, die die Mathematiker Matrix nennen. Der Buchstabe S ist ein Überbleibsel des ursprünglichen Namens »Streuungs-Matrix«, der sich auf die Kollisionsoder Streuungsprozesse, die Mehrheit der Teilchenreaktionen,
bezieht.
In der Praxis ist man natürlich nicht an der ganzen Kollektion
von Hadronenprozessen interessiert, sondern immer an einigen
wenigen bestimmten Reaktionen. Daher hat man es nie mit der
ganzen S-Matrix zu tun, sondern nur mit Teilen von ihr oder
»Elementen«, die sich auf einen bestimmten Prozeß beziehen.
Diese werden symbolisch durch Diagramme dargestellt. Das
nachstehende Diagramm zeigt eine der einfachsten und allgemeinsten Teilchenreaktionen: Zwei Teilchen, Α und B, kolli
dieren und gehen als zwei neue Teilchen, C und D, aus der Kol
lision hervor.
An komplizierteren Prozessen ist eine größere Anzahl von
Teilchen beteiligt. Sie werden in Diagrammen wie in den folgenden dargestellt.
Diese S-Matrix-Diagramme sind etwas ganz anderes als die
Feynman-Diagramme der Feldtheorie. Sie zeigen den detaillierten Mechanismus der Reaktion nicht, sondern geben nur die
einlaufenden und die auslaufenden Teilchen an. Zum Beispiel
kann derStandard-Prozeß Α und Β = C und D in der Feldtheo
rie als Austausch eines virtuellen Teilchens dargestellt werden,
während man in der S-Matrix-Theorie einfach Kreise zeichnet,
ohne genau festzulegen, was darin geschieht. Außerdem sind
die S-Matrix-Diagramme keine Raum-Zeit-Diagramme, sondern allgemeinere symbolische Darstellungen von Teilchenreaktionen. Diese Reaktionen werden nicht einem bestimmten
Punkt in Raum und Zeit zugeordnet, sondern in Begriffen der
Geschwindigkeiten (oder, genauer, der Impulse) der einlaufenden und auslaufenden Teilchen beschrieben.
Das heißt natürlich, daß ein S-Matrix-Diagramm weit weniger
Information enthält als ein Feynman-Diagramm. Andererseits
vermeidet die S-Matrix-Theorie eine Schwierigkeit, die für die
Feldtheorie charakteristisch ist. Die kombinierten Effekte von
Quanten- und Feldtheorie machen es unmöglich, eine Wechselwirkung zwischen definitiven Teilchen präzise zu lokalisieren. Aufgrund des Unsicherheitsprinzips steigt die Unsicherheit über die Geschwindigkeit eines Teilchens, wenn das Gebiet der Wechselwirkung genauer lokalisiert wird, und folglich
wird sein Betrag an kinetischer Energie zunehmend unsicher.
Irgendwann wird diese Energie groß genug für die Erzeugung
neuer Teilchen, in Übereinstimmung mit der Relativitätstheorie, und dann kann man nicht mehr sicher sein, ob es sich um die
ursprüngliche Reaktion handelt. Daher ist es in einer Theorie,
die die Quantentheorie mit der Feldtheorie kombiniert, nicht
möglich, den Ort eines
Weitere Kostenlose Bücher