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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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geheimnisvollsten und faszinierendsten Objekten, die die moderne Astrophysik erforscht, und sie veranschaulichen die Relativitätstheorie auf
spektakuläre Weise. Die starke Krümmung der Raum-Zeit um
sie herum verhindert nicht nur, daß uns das Licht erreicht, sondern wirkt auch genauso auffallend auf die Zeit. Wäre eine Uhr
auf der Oberfläche eines einstürzenden Sternes befestigt, d. h.
ein Instrument, das Signale in unsere Richtung aussendete, so
würden wir bemerken, daß sich diese Signale verlangsamen,
wenn sich der Stern dem Ereignishorizont nähert; und wenn
der Stern zum schwarzen Loch geworden ist, würden uns keine
Signale mehr erreichen. Für einen außenstehenden Beobachter
verlangsamt sich die Zeit auf der Sternoberfläche, wenn der
Stern zusammenfällt, und beim Ereignishorizont kommt sie
ganz zum Stillstand. Daher benötigt der vollständige Kollaps
des Sternes eine unendliche Zeit. Der Stern selbst jedoch empfindet nichts Besonderes, wenn er über den Ereignishorizont
hinaus zusammenfällt. Die Zeit fließt weiterhin normal, und
der Kollaps ist nach einem endlichen Zeitabschnitt beendet,
wenn sich der Stern zu einem Punkt unendlicher Dichte zusammengezogen hat. Wie lange dauert der Kollaps also nun
wirklich, eine unendliche oder eine endliche Zeit? In der Welt
der Relativitätstheorie hat eine solche Frage keinen Sinn. Die
Lebensspanne eines einstürzenden Sternes ist wie alle anderen
Zeitspannen relativ und hängt vom Bezugssystem des Beobachters ab.
    Die allgemeine Relativitätstheorie schafft die
klassischen
Begriffe von Raum und Zeit als absolute und unabhängige Einheiten völlig ab. Nicht nur alle Messungen von Raum und Zeit
sind relativ und vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig, sondern die ganze Struktur der Raum-Zeit hängt unauflöslich mit der Verteilung der Materie zusammen. Der
Raum ist verschieden stark gekrümmt, und die Zeit fließt an
den verschiedenen Orten des Universums mit verschiedener
Geschwindigkeit. Unsere Begriffe vom dreidimensionalen euklidischen Raum und vom linearen Zeitverlauf beschränken
sich also auf unser alltägliches Leben, und wir müssen sie fallenlassen, wenn wir darüber hinausgehen. Die östlichen Weisen
sprechen auch von einer Ausweitung ihrer Erfahrung der Welt
in höheren Bewußtseinszuständen, und sie behaupten, daß
diese Zustände eine grundsätzlich andere Erfahrung von Raum
und Zeit beinhalten. Sie betonen, daß sie in der Meditation
nicht nur über den gewöhnlichen dreidimensionalen Raum
hinausgehen, sondern auch - und sogar noch stärker - über das
gewöhnliche Zeitempfinden. Anstelle einer linearen Folge von
Augenblicken erfahren sie eine unendliche, zeitlose und doch
dynamische Gegenwart. In den folgenden Passagen sprechen
drei östliche Mystiker über ihre Erfahrung dieses
»ewigen
Jetzt«: Chuang-tzu, der taoistische Weise; Hui-Neng, der sechste Zen-Patriarch; und D. T. Suzuki, der buddhistische Gelehrte unserer Zeit:
    Vergessen wir das Verstreichen der Zeit; vergessen wir
den Konflikt der Meinungen. Laßt uns an das Unendliche
appellieren und dort Stellung beziehen. 6
Chuang-tzu
    Der gegenwärtige Augenblick ist die absolute Ruhe.
Obwohl sie in diesem Augenblick existiert, hat dieser
keine Grenzen, und darin liegt ewiges Entzücken. 7
Hui-Neng
    Tn dieser spirituellen Welt gibt es keine Zeiteinteilungen
wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, denn diese
haben sich zu einem einzigen Augenblick der Gegenwart
zusammengezogen, wo das Leben in seinem wahren
Sinn vibriert. .. Vergangenheit und Zukunft sind in
diesem gegenwärtigen Augenblick der Erleuchtung aufgerollt, und dieser gegenwärtige Augenblick steht nicht
still mit allem, was er enthält, sondern bewegt sich unaufhörlich fort. 8
D. T. Suzuki
    Es ist fast unmöglich, über die Erfahrung einer zeitlosen Gegenwart zu sprechen, da alle Wörter wie »zeitlos«, »Gegenwart«, »Vergangenheit«, »Augenblick« etc. sich auf die konventionellen Zeitbegriffe beziehen. Es ist daher außerordentlich schwierig zu verstehen, was die Mystiker in den zitierten
Passagen meinen. Aber auch hier kann die moderne Physik das
Verstehen erleichtern, da man mit ihrer Hilfe graphisch darstellen kann, wie ihre Theorien die normalen Zeitbegriffe überschreiten.
    In der relativistischen Physik kann die Geschichte eines Objekts, z. B. eines Teilchens, in einem sogenannten »RaumZeit-Diagramm« dargestellt werden (s. Abbildung). In diesem
Diagramm stellt die Horizontale den Raum*, die Vertikale

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