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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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Organismus. Als Folge der Cartesianischen Teilung empfinden sich die meisten Individuen als isolierte, »in« ihren Körpern lebende Egos. Der Geist wurde vom
Körper getrennt und erhielt die vergebliche Aufgabe, diesen zu
steuern, wodurch ein Konflikt zwischen dem bewußten Willen
und den unbewußten Instinkten entstand. Jedes Individuum
wurde weiter in eine große Anzahl getrennter Abteilungen aufgesplittert, entsprechend seinen Aktivitäten, Talenten, Gefühlen, Glauben etc., die in endlosem Konflikt stehen und dauernd
metaphysische Konfusion und Frustration erzeugen.
    Diese innere Zersplitterung des Menschen spiegelt seine Ansicht von der Welt »draußen« wider, die als Vielfalt verschiedener Objekte und Vorgänge gesehen wird. Die natürliche
Umgebung wird behandelt, als ob sie aus verschiedenen Teilen
bestünde, die von verschiedenen Interessengruppen ausgebeutet werden können. Diese zersplitterte Ansicht wird auf die Gesellschaft ausgedehnt, welche in verschiedene Nationen, Rassen, religiöse und politische Gruppen aufgeteilt wird. Der
Glaube, daß all diese Teile - in uns selbst, in unserer Umgebung
und unserer Gesellschaft - wirklich getrennt sind, kann als
Hauptgrund für die gegenwärtige Folge von sozialen, ökologischen und kulturellen Krisen angesehen werden; eine steigende
Welle von Gewalttätigkeit und eine häßliche, verschmutzte
Umwelt, in der das Leben oft physisch und psychisch schädlich
geworden ist.
    Die Cartesianische Trennung und die mechanistische Weltauffassung waren somit gleichzeitig nützlich und schädlich. Sie
waren außerordentlich erfolgreich in der Entwicklung der klassischen Physik und Technik, aber hatten viele negative Folgen
für unsere Zivilisation. Es ist faszinierend zu sehen, wie die aus
der Cartesianischen Trennung und der mechanistischen Ansicht entstandene Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts
jetzt diese Zersplitterung überwindet und zur Idee der Einheit
zurückkehrt, die in den alten griechischen und östlichen Philosophien zum Ausdruck kommt.
    Im Gegensatz zur westlichen, mechanistischen Ansicht ist die
östliche Ansicht von der Welt »organisch«. Für den östlichen
Mystiker gehören alle von unseren Sinnen wahrgenommenen
Dinge und Vorgänge zusammen und sind nur verschiedene
Aspekte oder Manifestationen derselben »letzten Realität«.
Unsere Neigung, die wahrgenommene Welt in einzelne verschiedene Dinge zu unterteilen und uns selbst als isolierte Egos
zu erfahren, wird als eine aus unserer messenden und kategorisierenden Mentalität entstandene Illusion betrachtet. Sie wird
in der buddhistischen Philosophie »Avidya« genannt und gilt
als Zustand eines gestörten Geistes, der überwunden werden
muß:
    Wenn der Geist gestört ist, wird die Vielfalt
der Dinge produziert, aber wenn der Geist beruhigt wird, verschwindet die Vielfalt der Dinge. 4
    Obwohl die verschiedenen Schulen der östlichen Mystik sich in
vielen Einzelheiten unterscheiden, betonen sie alle die grundsätzliche Einheit des Universums, welches der Kardinalpunkt
ihrer Lehren ist. Das höchste Ziel ihrer Jünger - ob Hindu,
Buddhist oder Taoist - ist, der Einheit und gegenseitigen Beziehung aller Dinge gewahr zu werden, den Begriff des isolierten individuellen Ich zu überwinden und sich mit der »letzten
Realität« zu identifizieren. Dieses Gewahrwerden - bekannt
als »Erleuchtung« — ist nicht nur ein intellektueller Vorgang,
sondern eine Erfahrung, die den ganzen Menschen erfaßt und
letztlich religiöser Natur ist. Daher sind die meisten östlichen
Philosophien im wesentlichen religiöse Philosophien.
    Nach östlicher Ansicht ist die Unterteilung der Natur in getrennte Objekte unbegründet, und alle Objekte haben einen
fließenden, ständig wechselnden Charakter. Die östliche Weltansicht ist dynamisch, ihre wesentlichen Züge sind »Zeit« und
»Wandel«. Der Kosmos wird als eine unteilbare Realität gesehen - ständig in Bewegung, lebend, organisch; Geist und Materie zur gleichen Zeit.
    Da Bewegung und Wandel wesentliche Eigenschaften der
Dinge sind, liegen die Bewegung verursachenden Kräfte nicht,
wie in der klassischen griechischen Ansicht, außerhalb der
Dinge, sondern sind eine innere Eigenschaft der Materie. Entsprechend ist das östliche Bild vom Göttlichen nicht das eines
Herrschers, der die Welt von oben lenkt, sondern eines Prinzips, welches alles von innen steuert:
    Der, welcher in allen Wesen wohnend
von allen Wesen verschieden ist,
den die Wesen alle nicht kennen,
dessen

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