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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Füßen vor ihm her. Munter, als ginge es zur Maikirmes und nicht in das schwarze Herz von London. Newgate bei Nacht war Englands Antwort auf die Hölle. Mochten die Reformatoren noch so eifrig behaupten, es gäbe weder Fegefeuer noch unablässige Qualen im Purgatorium: Hier waren sie zu Hause.
    Mit gesenktem Haupt folgte der Page ihm in eine Gasse. Feuchte Kühle und Fäulnisgase schlugen ihm entgegen. Vom Schlachthaus an der Stinking Lane wehten Gerüche von Verwesung herüber. Der vorzeitige Frühling des Narrenmonats April schien einen Bogen um die Tavernenmeile zu machen. Ihn fror zwischen alterskrummen Fachwerkhäusern und Kellerlöcher, in denen Pfennigshuren, Abtrittfeger und Ratten Quartier nahmen.
    Seine Hand glitt unter den Umhang. Er befühlte die Geldkatze am Gürtel, die ein hochnäsiger Lakai ihm anvertraut hatte. Diesmal würde er mehr als den üblichen Botenlohn für sich abzweigen. Sein Auftraggeber war immerhin der mächtigste Mann des Landes.
    »He, gehts nicht schneller?«, rügte sein Führer und sprang hasenflink über eine Kellerluke.
    Liebend gern, doch mehr als ein mühevolles Waten schien unmöglich zu sein. Zäher Morast, der aus dem Inhalt von Nachtgeschirren und tierischen Ausscheidungen bestand, saugte an seinen Sohlen. Bedauernd dachte der Page an die mühselige Putzerei, an das Terpentin und den Urin einer königlichen Stute, den er den Stallburschen abkaufte, um dem Leder Glanz zu verleihen. Die Abflussrinne in der Mitte des Sträßchens war hoffnungslos verstopft. Selbst Londons nimmersatte Ratten, Milane und Bettler wurden der Abfälle nicht Herr.
    Sein kleiner Führer hingegen kam besser damit zurecht. Ein Klappladen flog auf, warf einen Herzschlag lang Licht und Wirtshausgezänk in die Gasse. Der Rest einer Pastete wirbelte durch die Luft – anscheinend der Anlass für einen Streit. Nat klaubte den Brocken aus dem Dreck, wischte darüber und steckte ihn flugs in den Mund.
    »Hm, Taubenpudding zum Nachtmahl«, grunzte er schmatzend. »Der Wirt vom Gerösteten Hund hantiert gern mit Marktabfall. Aber wenigstens spart er nicht am Majoran.«
    Gestärkt hüpfte Nat voran durch die Finsternis. Der Page stakste halb blind und mit rebellierendem Magen hinter ihm her. Kurz bevor sie auf den Geflügelmarkt einbogen, drehte Nat sich zu ihm um. Verschwörerisch senkte er die Stimme.
    »Newgate versorgt neben Londons Bauch auch Londons Lenden mit Hühnchenfleisch. Nehmt Euch Zeit, die Huren zu prüfen. Bessie ist eine saftige Henne, prall und weich wie Gänsedaunen. Die lässt sich in mancher Weise besteigen, und Anne von der Cock Lane kennt Tricks mit ihrem Schnabel ...«
    Empört sog der Page die Luft ein. »Willst du kobern? Ich verschwende mich nicht an Gossenschwalben, damit du einen Kupplerpfennig verdienst! Du weißt, wohin ich will.«
    »Wollt Ihr, dass jedermann es weiß?«
    »Was soll das heißen?«
    »Ganz einfach. Ihr seid gewiss nicht der einzige Spitzel aus dem Greenwich Palast in diesem Viertel. Hier herrscht seit Tagen reger Schnüfflerverkehr. Und Eure Tarnung ist dürftig für einen Dudley-Mann ... Oder gehörst du zu Englands letzten Katholiken?
    Aus Nats Mund klang das Wort wie Trottel. Unbekümmert fuhr der Knabe fort. »Es heißt, im Norden haben sie noch immer ihre Nester und beten darum, dass Dudley zur Hölle fährt, unser König stirbt und Heinrichs katholische Tochter Maria an seiner Stelle auf den Thron steigt.«
    Der Page schnappte wie ein Karpfen nach Luft. »Woher weißt du, dass ich aus dem Nor-?« Er brach ab. Um Würde bemüht, rückte er seinen Umhang zurecht. »Das geht dich nichts an. Was weißt du schon von Politik und Staatskunst!« Eilig schob er hinterher: »Und was die Religion angeht, glaube ich nur, was seine Majestät glaubt.« Zurzeit war das der fünfzehnjährige Edward der Sechste, einziger Sohn des verstorbenen Tudor-Gottes Heinrichs des Achten und fanatischer Protestant. Der Page hielt es wie die meisten braven Engländer, die im Herzen katholisch geblieben waren: Entscheidend war nicht, zu welcher Kirche Gott hielt, sondern der König.
    Einige sturschädelige Verwandte des Pagen hatten sich während seiner Kindheit gegen Heinrichs Auflösung von Klöstern erhoben. Sie waren ein warnendes Beispiel für katholische Bekenntniswut geworden. Auf Schafhürden hatte man sie zu den Richtplätzen geschleift und kopfüber neben einigen Mönchen aufgehängt. Wie Schinken im Rauchfang. Das Fleisch war ihnen schwarz vom Leib gefault, während

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