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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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sie munter.« Weshalb die Irren im bildreichen Slang von Newgate Lunas Brüder oder nur Lunatics hießen. Poetische Gemüter sprachen von Gottes Gauklerschar.
    Nat packte den Pagen am Arm und zog ihn aus dem Pulk zur Stirnseite des Platzes. In Hufeisenform erstreckten sich drei Gefängnistrakte vor ihnen. An den Seitenflügeln vorbei erreichten sie den Schatten des wuchtigen Torhauses. Das Mondlicht malte die Umrisse der Dachzinnen als stumpfe Klauen aufs Pflaster. Der Torgang vor ihnen glich einem klaffenden Maul, dem ein Strom aus halb tierischem Gewinsel und halb menschlichem Gebell entquoll.
    »Mistfotze, MISTFOTZE, bekenne!«
    »Bei den sieben Bußpsalmen, mir sitzt des Teufels Horn in der Hinterwohnung.«
    »Bereue, bereue, Saukerl.«
    »Seht den Esel des Herrn.«
    »Und da drin soll ein Prophet hausen?«, stammelte der Page.
    »Der beste von allen«, bestätigte Nat. »Der halbe Hof schleicht nachts her.«
    »Du küsst deine Mutter nimmermehr«, krächzte es über ihren Köpfen. »Nimmermehr. Nimmermehr.«
    Entsetzt zog der Page den Kopf ein. »Und wer oder was ist das?«
    »Der Papagei des Pförtners. Hat ihm ein Gentleman verehrt, bevor er aufs Schafott musste. Der Vogel taugt mehr als die alten Stundengebete und Gedenkmessen. Den Gentleman vergisst keiner, solang sein Papagei im Gesims sitzt. Eine rabenschwarze Seele. Der hält gesalzene Grabreden für die armen Sünder, die ihren Gang zum Galgenberg antreten. Sogar lateinisch. Habt Ihr einen Silberling?«
    »Mehr als einen halben Pence bekommst du für deine Dienste nicht!«
    »Der Pförtner verlangt ein Handgeld, wenn er das Fallgitter hochziehen soll. Kostenlosen Käse gibt es nur in Mausefallen.«
    Unwillig zog der Page eine Münze aus seiner Geldkatze. Nat rannte zu einer Turmpforte und pochte. Die Pforte tat sich auf, es folgten wispernde Verhandlungen. Nat kehrte mit einer Binsenfackel zum Pagen zurück. Seufzend und rasselnd öffnete sich das Fallgitter zum Torgewölbe. Pfiffe und Jubelschreie schollen ihnen entgegen.
    In einem Anflug von Neid bemerkte der Page, wie unbekümmert Nat den Torweg betrat.
    »Hierher!«, rief der Junge über den Lärm hinweg und wandte sich einem Käfiggitter zu, das über zwei Stockwerke reichte. Dahinter war auf zwei Ebenen jegliches Elend in menschlicher Gestalt gefangen. Ein Durcheinander aus stinkenden Leibern, die meisten gefesselt, an die Mauern geschmiedet oder an den Füßen zu Paaren verkettet. Man hielt die Irren gern wie Zwillinge, das verdoppelte das Vergnügen. Gelegentlich wurden sie zur Richtbühne auf den Marktplatz geführt. Bei Dudelsackgepfeife und Trommelgedröhn sprangen sie über die Plattform, gerieten in Ekstase und ergötzten die Menge mit Schreien und Tänzen.
    Ein besonderer Spaß war es, wenn sie miteinander in Streit gerieten, Fratzen schnitten, Schaum vor dem Mund hatten oder sich entkleideten. So ähnlich musste es in Sodom und Gomorrha zugegangen sein, wobei Sodom in Newgate überwog. Die Nähe von Wahnsinn und Lust sollte den Zuschauern eine Warnung sein, doch das Vergnügen wog schwerer als die Moral. Zudem war eine Ähnlichkeit mit dem gewöhnlichen Treiben in Londons City nicht zu übersehen.
    Der Page näherte sich mit tastenden Schritten dem Narrenkäfig. Der Gestank des durchnässten und beschmutzten Strohs, auf dem die Tollhäusler lagerten, ekelte und faszinierte ihn zugleich. Genau wie die krallenartigen Hände, die durch das Gitter stießen, das Greinen und die Grimassen des Wahnsinns. An Geruch und Anblick solchen Elends gewöhnte er sich recht mühelos, stellte er stolz fest. Ha, er war dabei, ein Mann zu werden! Dennoch wollte er so rasch als möglich weg von diesem Ort.
    »Also, wo ist dieser Enoch?«
    Nat wies stumm auf eine Gestalt, die wie in Anbetung vor der hinteren Wand des tief in die Mauer ragenden Verschlages kniete. Ein Hungerskelett in einem Gewand, das den Pagen an ein Mönchshabit erinnerte.
    »Ruf ihn her«, verlangte der Page forsch.
    Nat schüttelte den Kopf. »Der Meister kommt, wenn es an der Zeit ist.«
    Sein Begleiter runzelte verärgert die Stirn, er wollte doch keine Audienz.
    »He da!«, schrie er – wollte er schreien, seiner Kehle entrang sich aber nur ein hohes Krächzen. Auf seine brüchige Mannesstimme war noch kein Verlass.
    Immerhin, die Gestalt erhob sich. Während sie sich umdrehte, erstarb der Lärm auf beiden Ebenen des Käfigs. Das Gewühl der Leiber ordnete sich. Lumpengestalten krochen auseinander, teilten sich wie einst das Rote Meer

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