Das Tattoo
Dawson.
„Wir haben gerade einen Anruf von Addie Bell bekommen. Das ist die Leiterin des Waisenhauses, in dem Frankie aufgewach sen ist, erinnern Sie sich?”
„Ja, sympathische Person”, sagte Dawson. „Scheint aufrichtig entsetzt zu sein über das, was Ihrer Frau passiert ist.”
„Richtig. Sie hat vorhin angerufen, um uns etwas mitzuteilen, was vor allem für Sie von Bedeutung sein könnte.”
Dawson lehnte sich vor. Clay LeGrands aufgeregter Tonfall
verfehlte nicht die Wirkung auf ihn. „Ich höre”, sagte er ge spannt.
„Addie Bell berichtete, dass sich Pharaoh Carn zu der Zeit, in der er noch im Waisenhaus lebte, eine Tätowierung machen ließ.”
Dawsons Pulsschlag beschleunigte sich. Noch ehe Clay fertig gesprochen hatte, hatte er seine Frage in Gedanken bereits for muliert.
„Ich nehme nicht an, dass sie sich erinnert, wie diese Tätowie rung aussah?” fragte Dawson.
„Doch, das tut sie. Es handelt sich um ein Kreuz mit Schlaufe, also ein Henkelkreuz. Und sie sagte auch, es sei farbig gewesen. Vielleicht gelb.”
Dawson verzog das Gesicht zu einem langsamen Grinsen. „Also das genaue Gegenstück zur Tätowierung Ihrer Frau.”
„Haben Sie jetzt genug gegen Pharaoh Carn in der Hand, um die Fahndung nach ihm einzuleiten?”
Dawsons Grinsen wurde noch breiter. „O ja. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Tätowierung sein Untergang ist, falls er sie immer noch hat.”
Clay seufzte. „Gott sei Dank. Dann haben wir das alles ja vielleicht bald hinter uns.”
Dawsons Grinsen erstarb. „ Freuen Sie sich nicht zu früh. Wir müssen ihn erst mal kriegen. Pharaoh Carn hat viel Macht und Einfluss.”
„Mir ist egal, was er hat”, brummte Clay. „Hauptsache nicht meine Frau.”
Es dauerte noch zwei weitere Tage, bis die Mühlen der Gerech tigkeit zu mahlen begannen, doch als es schließlich soweit war, ging alles sehr schnell.
Duke Needham platzte in Pharaohs Büro.
„Boss, ich habe eben einen Anruf von einem Kumpel aus L.A. bekommen. Er behauptet, die Bullen hätten einen Fahndungsbe fehl nach Ihnen rausgegeben; sie stellen die ganze Stadt auf den Kopf.”
Pharaoh rutschte der Stift aus der Hand; er sprang auf. Fran cesca! Er hatte zu lange gewartet.
„Verdammte Dreckskerle.”
„Was soll ich denn jetzt machen?”
Pharaoh kam hinter seinem Schreibtisch hervor und trat ans Fenster, von dem aus er den vorderen Teil des Anwesens überse hen konnte. Der Tag war klar, aber kalt. Er konnte unten im Tal die Autoschlange sehen, die sich wie üblich über den Strip wälz te, und die ewig blinkenden Lichter der Kasinos. Alles wirkte normal, obwohl gerade er nur allzu gut wusste, dass der An schein trügen konnte. Mit der Hand in der Hosentasche dachte er fieberhaft nach und rieb mit der anderen die Hasenpfote zwi schen Daumen und Zeigefinger. Kurz darauf wirbelte er herum.
„Sag einem der Mädchen, dass sie mir eine Tasche packen soll. Nur ein paar Hemden zum Wechseln, mehr nicht, und alles leich te Sachen für die Tropen. Wenn wir dort sind, kann ich mir immer noch mehr kaufen, wenn ich etwas brauche.”
„Wohin fahren wir?” erkundigte sich Duke.
In Pharaohs Kiefer zuckte ein Muskel. „Allejandro versucht schon seit Monaten, mir einen Job in Südamerika schmackhaft zu machen. Ich habe soeben entschieden, ihn anzunehmen.”
„Okay, Boss”, sagte Duke. „Ich werde sofort den Hub schrauber ordern.”
„Sag dem Piloten, dass wir in Denver Zwischenstation ma chen.”
Duke schluckte. Die Obsession seines Chefs würde sie noch den Kopf kosten.
„Glauben Sie, dass das sicher ist, nach allem, was wir gerade erfahren haben?” fragte er.
Pharaoh atmete tief durch und erwiderte mit warnend ge senkter Stimme: „Untersteh dich, meine Entscheidungen in Frage zu stellen. Untersteh dich, meine Autorität in Frage zu stellen. Geh mir aus den Augen und tu, was ich dir sage.”
Duke sah einen Moment lang wieder vor sich, wie Sty kowskis Blut über sein Gesicht und sein Jackett spritzte, dann ging er zur Tür.
Sobald er weg war, streckte Pharaoh die Hand nach dem Tele fonhörer aus. Er war dabei, den Weg in ein neues Leben zu be schreiten, aber vorher musste er erst noch eine Tür zuschlagen. Die Tür zu Francescas Vergangenheit. Er wählte eine Nummer, dann setzte er sich auf die Kante seines Schreibtischs und wartete, bis sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. Wenig später vibrierte Pepe Allejandros geschmeidiger Bariton in seinem Ohr. Pharaoh atmete tief durch, ehe
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