Das Tattoo
einladende Handbewe gung.
„Wie geht es ihr?” erkundigte sich Betty.
„Unverändert.”
„War das ihr Arzt, der mir gerade auf dem Flur begegnet ist?”
Clay nickte.
Betty stellte die Tasche ab und zog ihren Mantel aus, den sie im Vorübergehen über einen Sessel warf, bevor sie sich zu Clay ans Fenster gesellte.
„Und … hast du vor, mir freiwillig zu erzählen, was er gesagt hat, oder muss ich energischer nachbohren?”
Clay seufzte. „Sie vermuten, dass sie wahrscheinlich bei ei nem Autounfall eine partielle Amnesie davongetragen hat. Jetzt kann man nur hoffen, dass ihr Erinnerungsvermögen irgendwann wieder zurückkehrt. Dass sie Drogen genommen hat, schließen die Ärzte eher aus. Alles, was sie nachweisen konnten, waren leichte Spuren irgendeines Schlaf- oder Beruhigungsmittels.”
Betty spitzte nachdenklich die Lippen; dann drehte sie sich zum Bett um und sagte: „Alles andere hätte mich auch gewundert.”
Verbittert sah Clay sie an. „So? Hätte es? Dann sag mir bitte, warum ich nicht genauso viel Vertrauen in sie gesetzt habe wie du, Mom. Ich bin immerhin ihr Mann.”
Betty schaute liebevoll zu ihrem Sohn. Sie fühlte mit ihm, aber das Mitgefühl für Frankie war nicht kleiner.
„Weißt du, meine Mutter hat immer gesagt, je größer die Lie be, desto größer der Schmerz, wenn irgendetwas schief geht. Du bist durch die Hölle gegangen, Clay. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer ist, unter diesen Umständen objektiv zu bleiben.”
Er trat wieder an Francescas Bett. „Aber weißt du, was noch viel schlimmer ist?”
Betty folgte ihm und strich ihm mit der Hand tröstend über den Rücken. „Was denn?”
Clay schluckte mehrmals, bevor er mühsam herausbrachte: „Dass ich nicht weiß, was ich jetzt für sie empfinde.”
Betty schloss kurz die Augen und suchte nach den richtigen Worten.
„Das ist verständlich”, sagte sie schließlich. „Aber stell dir vor, wie Frankie sich fühlt, wenn die Ärzte Recht haben und sie wirklich an einer Amnesie leidet. Offenbar sind die letzten zwei Jahre aus ihrer Erinnerung einfach gelöscht, das heißt, sie macht da weiter, wo euer gemeinsames Leben aufgehört hat. Und das bedeutet wiederum, dass ihr Herz immer noch dir gehört, egal ob du sie willst oder nicht.”
Clay schüttelte den Kopf. „Ich wollte damit nicht sagen, dass ich sie nicht mehr liebe”, verwahrte er sich. „Ich weiß nur einfach nicht, ob ich ihr je wieder vertrauen kann.”
Betty zuckte die Schultern. „Das wirst du erst wissen, wenn du es versucht hast.”
Nachdenklich starrte Clay ins Leere. „Ja, Mom, da hast du wohl Recht”, sagte er nach kurzem Schweigen.
Betty tat ihr Sohn entsetzlich Leid. Die ganze Situation war schon schrecklich genug, aber sie musste es ihm sagen, auch wenn es seine Verwirrung noch vergrößern würde. Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Ich war vorhin noch kurz bei dir”, begann sie.
Clay dachte an den kleinen Koffer, den sie mitgebracht hatte.
„Und?”
„Ich dachte mir, Frankie könnte ein paar Dinge brauchen. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass du ihre Sachen weggeräumt hast. Es dauerte eine Weile, bis ich sie schließlich fand.”
„Ja, danke”, sagte Clay.
„Nichts zu danken. Aber ich wollte dir etwas anderes erzäh len.”
Clay erkannte den beunruhigenden Unterton in der Stimme seiner Mutter und drehte sich zu ihr um.
„Was denn?”
Betty schob wortlos ihre Hand in ihre Hosentasche und zog ein Bündel Geldscheine hervor.
„Das war zusammen mit einer Hose und einer Bluse im Wä schetrockner. Ich fürchte, die Kleider sind ruiniert - man hätte sie nur reinigen lassen dürfen. Aber die Scheine hier haben es bis auf die Tatsache, dass sie ein bisschen zerknittert sind, offenbar gut überstanden.”
Clay war sprachlos vor Überraschung, und als ihm seine Mutter das Bündel Geldscheine hinhielt, wurde ihm fast schlecht.
„Großer Gott”, murmelte er und nahm die Hundertdollarnoten mit spitzen Fingern entgegen, als haftete ihnen Unheil an. „Wie viel ist es?”
„Eintausendfünfhundertfünfzig Dollar.”
„Im Wäschetrockner?”
Betty nickte. „Zwei Scheine waren noch in Frankies Hosenta sche. Die anderen sind wahrscheinlich beim Trocknen herausge fallen.”
Er sank in einen Sessel, wobei er immer noch auf das Geld starrte, und sagte sarkastisch: „So, so. Dann war also einer meiner schlimmsten Albträume von ihr definitiv falsch.”
„Welchen meinst du?”
„Der, in dem ich geträumt habe,
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