Das Testament der Götter
Vorschriften entsprechend aufgedrückt, und Scheschi ist ohne jede Einwände in Dienst genommen worden. Ich baue auf Euch, ihn umgehend wieder freizulassen.«
»Die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen häufen sich. Zum Diebstahl kommt noch die Lüge.«
»Richter Paser! Übertreibt Ihr jetzt nicht maßlos? Wenn Ihr Scheschi besser kennen würdet, wüßtet Ihr, daß er nicht fähig ist, eine Unehrenhaftigkeit zu begehen.«
»Wenn er unschuldig ist, wird das Gerichtsverfahren dies beweisen.«
Iarrot saß schluchzend auf der Türschwelle. Der Esel betrachtete ihn ungerührt.
Sethi schüttelte den Gerichtsschreiber, während Paser Scheschis Verschwinden feststellte. »Was ist geschehen?«
»Er ist hergekommen, hat meine Niederschrift der Anzeige verlangt, hat zwei verstümmelte Abschnitte darin gefunden, die sie ungesetzlich machen, hat mich mit Strafmaßnahmen bedroht, hat den Beklagten freigelassen … Da er, was die Form anbelangt, recht hatte, habe ich mich ihm beugen müssen.«
»Von wem redet Ihr?«
»Vom Vorsteher der Ordnungskräfte, Monthmose.« Paser las die Anzeige durch. In der Tat hatte Iarrot weder die Titel und Ämter von Scheschi vermerkt noch hervorgehoben, daß der Richter höchstpersönlich die Voruntersuchung führte, ohne von einem Dritten dazu aufgefordert worden zu sein. Das Verfahren war demnach nichtig.
Ein Sonnenstrahl drang durch die Verstrebung eines steinernen Fensters und beschien Monthmoses glänzenden, mit einem duftenden Salböl bedeckten Schädel. Ein Lächeln auf den Lippen, empfing er Paser geradezu überschwenglich.
»Leben wir nicht in einem wunderbaren Land, werter Richter? Niemand kann darin der Strenge eines maßlosen Gesetzes unterworfen werden, da wir selbst über das Wohl der Untertanen wachen.«
»Das Wort ›maßlos‹ scheint mir derzeit in aller Munde zu sein. Auch der Aufseher der Forschungsstätten hat sich seiner bedient.«
»Er verdient nicht den geringsten Tadel. Während er Einsicht in die Schriftenverwahrung nahm, hat er mich von Scheschis Festsetzung unterrichten lassen. Ich habe mich unverzüglich in Eure Amtsstube begeben, da ich fest überzeugt war, daß ein bedauerlicher Irrtum begangen worden war. Dem war auch tatsächlich so; und deshalb erfolgte Scheschis Freilassung augenblicklich.«
»Der Fehler meines Gerichtsschreibers ist offenkundig«, erkannte Paser an, »doch weshalb seid Ihr derart um diesen Metallkundigen besorgt?«
»Er ist ein Fachmann der Streitkräfte. Wie seine Berufsgenossen steht er unter meiner unmittelbaren Obhut; ohne meine Zustimmung dürfen keine gerichtlichen Schritte gegen sie unternommen werden. Ich will gerne hinnehmen, daß Euch dies fremd war.«
»Die Anschuldigung eines Diebstahls hebt diesen bedingten Schutz vor Strafverfolgung auf.«
»Die Anschuldigung ist nicht begründet.«
»Ein Formfehler entkräftet die Gültigkeit des Klagegrunds nicht.« Monthmose wurde feierlich.
»Scheschi ist einer unserer besten Fachleute für Waffenkunde. Glaubt Ihr, er brächte seine Laufbahn auf solch törichte Weise in Gefahr?«
»Kennt Ihr den gestohlenen Gegenstand?«
»Was schert es! Ich glaube es nicht. Haltet ein, solchen Übereifer an den Tag zu legen, um Euch den Ruf eines Weltverbesserers zu erwerben.«
»Wo habt Ihr Scheschi versteckt?«
»Außerhalb der Reichweite eines Gerichtsbeamten, der seine Befugnisse überschreitet.«
Sethi pflichtete Paser bei: Es gab keinen anderen Ausweg mehr als die Einberufung einer Gerichtsverhandlung, in der sie alles aufs Spiel setzen müßten. Beweise und Sachgründe würden entscheidend sein, sofern die Geschworenen nicht in Diensten ihrer Widersacher stünden; Geschworene, die Paser nicht allesamt ablehnen konnte, um die Gerichtsbarkeit nicht entzogen zu bekommen. Die beiden Freunde überzeugten sich gegenseitig, daß die – während einer öffentlichen Verhandlung ausgesprochene – Wahrheit selbst die unzugänglichsten Geister erhellen würde. Der Richter entwickelte seine beabsichtigte Vorgehensweise vor Branir. »Du gehst viel zu viele Gefahren ein.«
»Gibt es denn einen besseren Weg?«
»Folge dem, den dein Herz dir offenbart.«
»Ich halte es für notwendig, den Schlag so hoch wie möglich anzusetzen, um mich nicht in nebensächlichen Kleinigkeiten zu verlieren. Indem ich mich auf das Wesentliche beschränke, werde ich leichter gegen die Lügen und Feigheiten ankämpfen können.«
»Du wirst dich niemals mit Halbheiten begnügen; du verlangst nach dem Licht in
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