Das Testament der Götter
einem eilfertigen Diener mit kostbarem Öl salben, während ein zweiter ihm die Hände und Nägel pflegte. Ein dritter machte sein Haar zurecht, während ein vierter ihm die Füße mit Duftsalbe einrieb und ein fünfter ihm die Speisenfolge verkündete.
»Richter Paser! Welch glücklicher Zufall führt Euch hierher?«
»Ein Klage.«
»Habt Ihr bereits gespeist? Ich noch nicht.« Denes schickte die Leibdiener fort; sogleich traten zwei Köche herein, die Brot, Bier, eine gebratene Ente und Honigkuchen auftrugen. »Bedient Euch.«
»Ich danke Euch.«
»Ein Mann, der sich am Morgen nicht gut nährt, kann kein gutes Tagewerk vollbringen.«
»Gegen Euch ist eine ernste Beschuldigung erhoben worden.«
»Das würde mich wundern!« Denes’ Stimme mangelte es an Würde; sie schwang sich bisweilen in spitze Tonlagen hinauf und verriet eine Zerfahrenheit, die zu dem erhabenen Selbstgefühl der Person in deutlichem Gegensatz stand. »Ihr nehmt eine unbillige Abgabe auf die Löschungen ein, und Ihr werdet verdächtigt, eine unrechtmäßige Steuer bei den Anwohnern der beiden dem Reich gehörenden Anlegestellen zu erheben, die Ihr häufig benutzt.«
»Alte Gewohnheiten! Bekümmert Euch nicht darum. Euer Vorgänger maß dem Ganzen nicht mehr Bedeutung bei als der Oberste Richter des Gaus. Vergeßt es, und nehmt Euch eine Entenbrust.«
»Ich fürchte, das ist unmöglich.« Denes hörte auf zu kauen.
»Ich habe keine Zeit, mich damit zu befassen. Sucht meine Gemahlin auf; sie wird Euch beweisen, daß Ihr Euch um nichts und wieder nichts abmüht.« Der Warenbeförderer klatschte in die Hände; ein Verwalter erschien.
»Führt den Richter zum Arbeitszimmer der Dame Nenophar.«
Und Denes wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Morgenmahl zu.
Dame Nenophar war eine berühmte Geschäftsfrau. Von skulpturaler Erscheinung, wohlbeleibt, überschäumend, nach dem neuesten Geschmack gekleidet und mit einer ebenso schweren wie beeindruckenden Zopfperücke auf dem Haupt, trug sie ein Türkispektoral, eine Amethysthalskette, überaus kostspielige Silberarmbänder und ein Netz grüner Perlen auf ihrem langen Gewand. Als Eigentümerin weiter und ertragreicher Ländereien, mehrerer Häuser und von bald zwanzig Höfen leitete sie einen Stab von Handelsvertretern, die etliche Erzeugnisse in Ägypten und Syrien verkauften. Sie, die Aufseherin der Königlichen Speicherhäuser, die Prüferin des Schatzhauses und für die Stoffe im Palast zuständige Kammerfrau, war einst der Betörungskunst des weit weniger vermögenden Denes erlegen. Da er in ihren Augen ein erbärmlicher Verwalter war, hatte sie ihn an die Spitze der Warenbeförderung berufen, so daß ihr Gemahl viel reisen, ein umfangreiches Geflecht von Beziehungen unterhalten und sich oftmals seinem liebsten Vergnügen, dem endlosen Gespräch bei einem guten Wein, hingeben konnte. Verächtlich musterte sie den jungen Richter, der sich in ihr Reich vorwagte. Sie hatte munkeln hören, daß dieser Bauer den Richterstuhl jenes jüngst verstorbenen Amtmannes innehatte, mit welchem sie ehedem auf bestem Fuße stand. Zweifelsohne wollte er ihr einen Höflichkeitsbesuch abstatten: eine gute Gelegenheit, ihn unter die Fuchtel zu nehmen. Ohne schön zu sein, war er recht stattlich: das Gesicht fein geschnitten und ernst, der Blick tief. Sie bemerkte verdrossen, daß er sich nicht wie ein Niederer vor einem Großen verbeugte. »Seid Ihr gerade erst nach Memphis berufen worden?«
»Das trifft zu.«
»Meine Glückwünsche; dieses Amt verheißt eine glänzende Laufbahn. Weshalb wünscht Ihr mich zu sprechen?«
»Es handelt sich um eine unrechtmäßigerweise eingenommene Gebühr, die …«
»Ich weiß Bescheid und das Schatzhaus ebenfalls.«
»Ihr anerkennt demnach die Stichhaltigkeit der Klage?«
»Sie wird jedes Jahr erhoben und sogleich verworfen; ich besitze ein anerkanntes Recht.«
»Es steht mit dem Gesetz nicht in Einklang und weniger noch mit der Gerechtigkeit.«
»Ihr müßtet besser über den Umfang meiner Ämter unterrichtet sein; in meiner Eigenschaft als Prüferin des Schatzhauses verwerfe ich selbst diese Art von Klagen. Die geschäftlichen Belange des Landes dürfen nicht unter einer veralteten Vorschrift leiden.«
»Ihr überschreitet Eure Befugnisse.«
»Große Worte ohne allen Sinn! Ihr kennt das Leben nicht, junger Mann.«
»Wollt Ihr Euch gefälligst jeglicher Vertraulichkeiten enthalten; muß ich Euch daran erinnern, daß ich Euch von Amts wegen befrage?«
Nenophar
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