Das Testament eines Excentrischen
und die Anordnung der bunten Fenster mit Jalousien.
In dem mit Kreuzen und Steinblumen verzierten Thurme, der auf den Widerlagern der Façade ruhte. hing eine Glocke von mächtigem Klange, die die Stunden der darunter angebrachten, in der Dunkelheit beleuchteten Uhr verkündete. Die metallische Stimme dieser Glocke war, wenn sie aus den durchbrochenen und vergoldeten Schalllöchern ertönte, bis über die Umschließung der Oakswoods und bis nach dem Ufer des Michigansees hin vernehmbar.
Das Bauwerk maß hundertzwanzig Fuß in der Länge und in seinem Querschiff sechzig Fuß in der Breite. Seine Grundform war die eines lateinischen Kreuzes, dem sich ein halbkreisförmiger Chor anschloß. Das Gitter um das Ganze, eine schöne Probe von Aluminium-Schmiedearbeit, stützte sich in gleichen Abständen auf Säulen mit Fackelträgern. Vor diesem standen Gruppen von herrlichen, immergrünen Bäumen, zwischen denen das stolze Mausoleum sich erhob. Durch das jetzt geöffnete Thor des Gitters gelangte man über einen mit Gebüsch und Strauchwerk eingerahmten Weg zu einer Art Perron, zu dem fünf weiße Marmorstufen hinaufführten. Hinter ihm befand sich ein Portal mit zwei bronzenen Thürflügeln, deren Felder in durchbrochener Arbeit Blumen und Früchte ausfüllten.
Dieser Eingang diente für ein Vorzimmer, worin Divans mit großen goldenen Nägeln und eine prächtige Vase aus chinesischem Porzellan, die häufig mit frischen Blumen gefüllt wurde, aufgestellt waren. Von der Decke hing ein siebenarmiger Krystallkronleuchter mit elektrischen Lampen herab. Durch Kupferrohre in den Ecken strömte die milde, gleichmäßig warme Luft eines Heizapparats aus, der in der kalten Jahreszeit von einem Friedhofswächter der Oakswoods bedient wurde.
Stieß man die verglasten Flügel einer dem Perronportale gegenüberliegenden Thür auf, so gelangte man in den Hauptraum des Bauwerks. Dieser bildete einen großen, runden Saal, ausgestattet mit dem übertriebenen Luxus eines Erzmillionärs, der auch nach dem Ableben die Pracht und die Bequemlichkeiten des Lebens nicht missen will. Durch mattes Glas, das den oberen Mitteltheil der Decke abschloß, fluthete ein reichlicher Lichtstrom in das Innere. An den Wänden prangten Arabesken, Laubwerk, Leisten, kugelförmige Vorsprünge, Blumen und Bogenlinien, die ebenso sein wie die einer Alhambra ausgemeißelt waren. Der untere Theil der Wandfläche verschwand hinter Divans mit leuchtend farbigem Ueberzuge. Da und dort standen Statuen aus Bronze oder Marmor, Faune und Nymphen darstellend. Zwischen den mit glänzendem Stuck verputzten Pfeilern, den Stützpunkten für die Rippen der Wölbung, konnte man einige Werke neuerer Meister – in der Hauptsache Landschaften – bewundern, die ein goldener Rahmen mit besonders leuchtenden Punkten darin umschloß. Dicke, weiche Teppiche bedeckten den mit spiegelndem Mosaik verzierten Fußboden.
Neben diesem Mittelsaale, im hinteren Theile des Mausoleums, dehnte sich der runde Chorbau aus, erhellt durch ein großes Fenster, dessen Scheiben erglühten, wenn die Sonne nahe ihrem Untergange sie mit ihren schrägen Strahlen traf. Auch dieser Chorraum war ganz in modernstem Geschmack möbliert. Gewöhnliche Stühle, Arm-und Schaukelstühle und Sophas füllten ihn in künstlerischer Unordnung. Auf einem Tische lagen Bücher und Broschüren, Journale und Revuen der Vereinigten Staaten und des Auslands bunt durcheinander. Hinter seinen Glasthüren bot ein mit allem Tafelgeschirr ausgestatteter Speiseschrank verschiedene, im Bedarfsfalle täglich erneuerte Leckerbissen, schmackhafte Conserven, saftige Sandwiches, trockene Kuchen, Flaschen mit seinen Weinen, kleinere Flaschen mit allerlei Liqueuren der besten Marken u. s. w. Wahrlich, ein mit Geschmack und Ueberlegung hergerichteter Raum, darin zu lesen, zu ruhen und zu frühstücken!
In der Mitte des Hauptsaales und gebadet im Lichte, das durch die Glasdecke einströmte, erhob sich eine weiße, durch reiche Bildhauerarbeit verzierte Marmorgrabstätte, an deren Ecken heraldische Thierfiguren Wache hielten. Das von einem Kreise lichtschimmernder Ampeln umgebene Grab stand offen; daneben lag die für die heutige Feierlichkeit abgehobene Deckplatte. Hier sollte der Sarg seinen Platz finden, worin der Körper William I. Hypperbone’s auf weißem Atlaspolster ruhte.
Ein Mausoleum dieser Art konnte natürlich keine Trauerstimmung aufkommen lassen; es erweckte eher freudige, heitere Vorstellungen. In seiner reinen Luft
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