Das Testament eines Excentrischen
Flammen steht.
Was Max Real anginge. der die industrielle Gegend ganz und gar nicht leiden mochte, wäre hier doch darauf hinzuweisen, daß er auf pennsylvanischem Gebiete so manches hübsche, seines Pinsels würdige Landschaftsbild gefunden hätte, vor allem abwechslungsreiche und malerische Gegenden am Abhange der Alleghanys und in den Thälern des Gebirgsstockes der Appalachen.
Doch weder der erste, noch der vierte Partner waren – ein bedauerlicher Verlust für die Nachwelt – nach dem siebenundvierzigsten Felde geschickt worden.
Von Thomas Crabbe, oder richtiger von John Milner, war keine Bethätigung eines Interesses an Natur oder Menschenwerk zu erwarten. John Milner’s Held sollte sich nach Philadelphia begeben, folglich ging er dahin, doch nirgends anderswohin. Diesmal würde sich die öffentliche Aufmerksamkeit auch nicht von ihm abwenden. Er mußte wieder der Mann des Tages werden. Nöthigenfalls wollte John Milner ihn in das rechte Licht setzen und die große Stadt zwingen, sich mit einer Persönlichkeit zu beschäftigen, die in den Boxerkreisen Nordamerikas eine so hervorragende Stellung einnahm.
Gegen zehn Uhr abends am 31. Mai hielt Tom Crabbe seinen Einzug in die »Stadt der brüderlichen Liebe«, wo sein Traineur und er die erste Nacht incognito verbrachten.
Am nächsten Tage wollte John Milner erst sehen, woher der Wind hier wehte. Kam dieser aus günstiger Richtung und hatte er den Namen des berühmten Boxers wohl schon bis zu den Delawareufern getragen?
Seiner Gewohnheit gemäß hatte John Milner den Tom Crabbe im Hôtel zurückgelassen, nachdem er wegen dessen zwei Vormittagsmahlzeiten die nöthige Vorsorge getroffen hatte.
Wie in Cincinnati hatte er auch hier ihre Namen nicht sogleich ins Fremdenbuch eingetragen; vorher hielt er einen Spaziergang durch die Stadt für angezeigt. Da der Ausfall des letzten Würfelns hier seit dem Tage vorher bekannt geworden sein mußte, konnte er sich unterwegs leicht überzeugen, ob sich die Bevölkerung mit der Ankunft Tom Crabbe’s beschäftigte oder nicht.
Handelt es sich darum, durch eine Stadt dritten oder vierten Ranges, also durch eine von beschränktem Umfang, zu wandern, so ist das ja in wenigen Stunden abzumachen. Das gilt aber nicht für ein städtisches Gemeinwesen, das unter Einrechnung der Vororte Manaynak, Germanstown, Camden und Gloucester nicht weniger als zweimalhunderttausend Häuser und elfhunderttausend Seelen zählt. Schräg von Nordosten nach Südwesten und dem Bett des Delaware folgend, hat Philadelphia eine Längsausdehnung von sechs Meilen (9∙6 Kilometer) und eine Oberfläche, die beinahe der Londons gleichkommt. Das erklärt sich vor allem durch die Gewohnheit der meisten Philadelphier, Einzelhäuser zu bewohnen, während Riesenbauten mit Hunderten von Miethbewohnern, wie in Chicago und New York, hier höchst selten sind. Es ist die Stadt des »
home« par excellence.
Die Metropole ist wirklich sehr groß, doch auch glänzend, offen und lustig, regelmäßig gebaut und hat mehrere Hauptstraßen von hundert Fuß (30∙5 Meter) Breite. Die Vorderseiten ihrer Häuser bestehen aus Backsteinen und Marmor. Schattenkühle Gänge, die noch aus dem Anfang der sylvanischen Epoche des Landes bis in die Gegenwart herübergerettet worden sind, zieren sie ebenso wie prachtvolle Gartenanlagen, Squares und Parke, darunter der Fairmount-Park, der größte von allen in den Vereinigten Staaten, ein Stück Land von zwölfhundert Hektaren am Rande des Schuylkill, dessen Schluchten noch in ihrer alten Wildheit erhalten geblieben sind.
Im Laufe dieses ersten Tages konnte John Milner natürlich nur einen Theil der Stadt – es war der am rechten Delawareuser – besuchen, er begab sich dann wieder nach ihrem westlichen Theile, immer längs des Schuylkill, eines Nebenflusses des Stromes, der von Nordwesten nach Südosten verläuft. Auf der anderen Seite des Delaware liegt New Jersey, einer der kleinen Unionsstaaten, zu dem die Vororte Camden und Gloucester gehören, die wegen Mangels an Brücken mit der großen Stadt nur mittels Dampffähren in Verbindung stehen.
John Milner kam heute also nicht nach dem Mittelpunkte der Stadt, von dem die großen Verkehrsadern rund um das Rathhaus ausstrahlen, jenes gewaltige Bauwerk aus weißem Marmor, das viele Millionen Dollars gekostet hat und dessen Thurm nach seiner Vollendung in der lustigen Höhe von fast sechshundert Fuß (182 Meter, der Kölner Dom ist 155 Meter hoch) die Kolossalstatue William
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