Das Testament eines Excentrischen
und seine nächsten Beamten, die Mitglieder des Stadtrathes, die Grafschaftsverwalter, die eigens von Springfield hergekommen waren, aus der officiellen Hauptstadt von Illionis, wo alle Verwaltungs-und Regierungsämter ihren Sitz haben, und auch die Oberbeamten des Federal Court, die im Gegensatze zu vielen anderen Staatsdienern nicht durch allgemeine Abstimmung erwählt, sondern unmittelbar vom Präsidenten der Union ernannt werden.
Am Schlusse dieses Gefolges drängten sich eine Menge Kaufleute, Industrielle, Ingenieure, Lehrer, Advocaten, Gerichtsanwälte, Aerzte, Zahnärzte, Coroner (Staatsbeamte für die Leichenschau), Sachwalter und Grafschaftsbeamte, denen sich noch eine unübersehbare Volksmenge anschließen sollte, sobald der Aufzug die La Salle Street ganz verlassen hatte.
Um aber das Ende des Zuges gegen den Ansturm der Masse zu sichern, hatte der General Morris starke Abtheilungen Cavallerie mit gezogenem Säbel aufgestellt, und lustig flatterten deren Standarten im frischen Morgenwinde.
Diese lange Beschreibung der civilen und militärischen Theilnehmer, aller der Gesellschaften und Vereine, die zu dieser außergewöhnlichen Feierlichkeit herangezogen waren, muß hier noch durch eine besonders kennzeichnende Einzelheit vervollständigt werden: alle Theilnehmer, kein einziger ausgenommen, trugen eine Blume im Knopfloch, eine Gardenia, die ihnen der schwarzgekleidete, auf der Vortreppe des Hauses stehende Haushofmeister überreicht hatte.
Ueberdies machte auch das Haus selbst einen festlichen Eindruck. Seine Armleuchter und hellglänzenden elektrischen Lampen wetteiferten mit den lebhaften Strahlen der Aprilsonne; die weit offenen Fenster zeigten die vielfarbigen Tapeten der Innenräume. Die Dienerschaft in Festtagstracht stand auf den Marmorstufen der Ehrentreppe. Die Prunkgemächer waren wie zu einem großen Empfange vorbereitet, die Speisezimmer mit Tafeln besetzt, worauf die massiv silbernen Aufsätze und das herrliche Porzellan der Chicagoer Millionäre prangten und krystallene Karaffen voll edlen Weines und Champagners der besten Marken funkelten.
Endlich schlug es auf der City Hall neun Uhr. Fanfaren ertönten am Anfange der La Salle Street. Drei einstimmig ausgebrachte Hurrahs erschütterten die Luft. Auf ein Zeichen des dienstthuenden Polizeiofficiers setzte sich der Zug mit entfalteten Bannern in Bewegung.
Zuerst erklangen aus den mächtigen Instrumenten des Orchesters die belebenden Takte des »Columbus March« von Professor John K. Paine in Cambridge. Langsam und gemessen wand sich der Zug die La Salle Street hinaus. Fast gleichzeitig rückte der Wagen mit dem Sechsgespann an, von dem jedes Pferd kostbare Schabracken trug und mit Federbusch und Aigrette geschmückt war. Die Blumenguirlanden in den Händen der sechs Auserwählten, die nur ein launenhafter Zufall zu solchen gemacht hatte, spannten sich gleichmäßig an.
Dann setzten sich die militärischen, civilen und städtischen Behörden, die den Reiterabtheilungen folgten, in bester Ordnung in Gang.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß in der La Salle Street alle Fenster, Balkons und vielfach sogar die Dächer von Zuschauern jedes Alters, die meist schon seit dem letzten Abend warteten, voll besetzt waren.
Als die ersten Reihen des Gefolges das Ende der Straße erreicht hatten, schwenkten sie ein wenig nach links ab, um nach der den Lincoln-Park begleitenden Alleestraße zu gelangen. Welch unglaubliches Gewühl von Menschen herrschte da innerhalb der zweihundertfünfzig Acres dieser Anlage, die im Osten von den rauschenden Wellen des Michigan benetzt wird – in dieser Schmuckwaldung mit ihren schattigen Alleen, ihren Buschgruppen, Rasenflächen, bewaldeten Dünen, ihrer Winston-Lagune, mit den zum Andenken Grant’s und Lincoln’s errichteten Monumenten, dem Paradefelde und in dem davon umschlossenen zoologischen Garten, wo die Raubthiere heulten und brüllten und die Affen hastig hin und her sprangen, wie um sich der Erregung in der Volksmenge in ihrer Art anzupassen! Da der Park an Wochentagen sonst so gut wie menschenleer ist, hätte sich ein Fremdling fragen können, ob heute vielleicht Sonntag wäre. O nein, es war Freitag – der traurige, widerwärtige Freitag – der dieses Jahr auf den 3. April fiel.
Nun, heute bekümmerten sich die Neugierigen nicht darum, tauschten ihre Bemerkungen beim Vorüberkommen des Zuges aus und bedauerten daneben gewiß, nicht selbst daran theilnehmen zu können.
»Das steht fest, meinte
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