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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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anfänglich diese schwerwiegenden Söhne Bruder Jonathans, die durch wiederholte glückliche Bodenspeculationen, durch Pökelanstalten, Petroleum, Eisenbahnen, Erzbergwerke, Elevatorenbetriebe oder durch Großschlächtereien sehr reich geworden waren, ihren Landsleuten von den einundfünfzig Staaten der Union und der Neuen und Alten Welt durch ultraamerikanische Absonderlichkeiten ein erregendes Schauspiel zu bieten; ihr öffentliches und privates Leben aber zeichnete sich unbedingt durch nichts aus, was ihnen die Aufmerksamkeit der Erdbewohner hätte zulenken können. Sie bildeten nur einen Verein von fünfzig Mitgliedern, die recht hohe Beiträge bezahlten, mit der Chicagoer Gesellschaft keine näheren Verbindungen unterhielten, die ihre Spiel-und Lesezimmer fleißig besuchten, daselbst eine Menge Journale und Revuen durchflogen, wie in allen derartigen Kreisen mehr oder weniger hoch spielten und sich gelegentlich bei Erwähnung dessen, was sie bisher gethan hatten und jetzt vielleicht thaten, ehrlich zugestanden:
    »Entschieden sind wir keineswegs – nein, nicht im mindesten excentrisch!«
    Einer der Herren schien aber doch mehr als seine Collegen Veranlagung zur Originalität zu verrathen. Hatte er sich bisher auch noch nicht durch eine Reihe Aufsehen erregender Wunderlichkeiten hervorgethan, so glaubte man doch darauf rechnen zu dürfen, daß er in Zukunft den dem berühmten Vereine etwas vorschnell gegebenen Namen rechtfertigen werde.
    Leider sollte William I. Hypperbone unerwaret das Zeitliche segnen. Freilich mußte man anerkennen, daß er, was er bei Lebzeiten nicht gethan, in eigenartiger Weise nach seinem Tode ausgeführt hatte, denn nur seinem ausdrücklichen Wunsche gemäß ging das Begräbniß des Sonderlings inmitten allgemeinen Jubels vor sich.
    Der selige William I. Hypperbone hatte zur Zeit, als er sein Dasein plötzlich endete, kaum das fünfzigste Lebensjahr überschritten. In diesem Alter war er noch ein hübscher. hochgewachsener. breitschulteriger Mann mit mächtigem Brustkasten, straffer Haltung und nicht ohne eine gewisse Eleganz, ohne eine gewisse Vornehmheit. Er hatte »meliertes«, stets kurz gehaltenes Haar, einen fächerartig abstehenden goldblonden Bart, der bereits mit einzelnen Silberfäden vermischt war, tiefblaue Augen mit glänzender, unter dichten Lidern hervorleuchtender Pupille und einen Mund mit noch lückenloser Zahnreihe und eng geschlossenen Lippen, dessen Linie seitwärts leicht aufstieg – das Zeichen eines zu spöttischem Scherz, selbst zu etwas Hochmuth geneigten Temperamentes.
    Dieses prächtige Musterbild eines Nordamerikaners erfreute sich einer eisernen Gesundheit. Nie hatte ein Arzt ihm nach dem Puls gefühlt, nie einer seine Zunge geprüft, ihm in den Hals gesehen, die Brust beklopft oder das Herz behorcht, niemals war seine Körpertemperatur mittelst Thermometers gemessen worden. Und an Aerzten fehlt es in Chicago gerade nicht – auch nicht an Zahnärzten, die alle im Rufe besonderer Geschicklichkeit stehen, von denen aber keiner je Gelegenheit gehabt hatte, seine Kunst an ihm zu beweisen.
    Man hätte also sagen können, daß eigentlich keine Maschine – und wäre es eine von hundert Aerztekraft – im Stande gewesen wäre, ihn aus dieser Welt zu reißen und in eine andere zu befördern; dennoch war er nun gestorben, ohne Hilfe der medicinischen Facultät – und infolge dieser überraschenden Leistung stand eben sein Leichenwagen jetzt vor dem Thore der Oakswoods Cemetry.
    Um dieses Bild der physischen Persönlichkeit des Mannes nach der seelischen Seite hin zu ergänzen, müssen wir hinzufügen, daß William I. Hypperbone von Natur kühl und bestimmt war und unter allen Umständen Herr seiner selbst zu bleiben wußte. Wenn er am Leben etwas Schätzenswerthes fand. so fand er das als Philosoph, und mit der Philosophie wird man sich ja leicht befreunden, wenn ein großes Vermögen, das Freisein von jeder Sorge für die Gesundheit und für eine Familie es gestatten, das Wohlwollen mit der Freigebigkeit zu verbinden.
    Da drängt sich freilich die Frage auf, ob es logisch sei, von einer so praktischen, so gleichmäßig abgewogenen Persönlichkeit überhaupt eine excentrische That zu erwarten. Fand sich in der Vergangenheit dieses Amerikaners wohl eine Thatsache, die so etwas glauben ließ?
    Ja, eine einzige.
    Im Alter von vierzig Jahren stehend, hatte William I. Hypperbone den Gedanken gehabt, mit der am unzweifelhaftesten nachgewiesenen Hundertjährigen der

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