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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das Pferd mit dreimaligem Peitschenschlag von neuem an.
    Um Mitternacht hatte der Wagen erst den Scheitel des Bergrückens erreicht, und Harris T. Kymbale’s Befürchtungen steigerten sich noch weiter. Er konnte sich gar nicht mehr fassen.
    »Isidorio, rief er, diesem auf die Schulter klopfend, ich möchte Dir noch einen neuen Vorschlag machen.
    – Ich höre, Herr Kymbale.
    – Zehntausend… ja… zehntausend Dollars, wenn ich rechtzeitig ankomme.
    – Zehntausend… sagen Sie? wiederholte Isidorio.
    – Zehntausend Dollars!
    – Das heißt, nur wenn Sie die Partie gewinnen?…
    – Natürlich!«
    Zur Fahrt bergab – ohne dabei nach Galisteo zu gehen, um von da aus eine kleine Zweigbahn zu benutzen, was jetzt doch einen Zeitverlust bedingt hätte – und zu der durch das Thal des Rio Chiquito bis nach Santa-Fé – beiläufig eine Strecke von fünfzig Meilen (80 Kilometer) – waren nun blos noch zwölf Stunden übrig.
    Die Straße war indeß recht leidlich, hatte keine bedeutenderen Steigungen, und ein besseres Pferd als das aus dem Relais von Tuos hätte man sich gar nicht wünschen können. Wenn es sein mußte, konnte man das Ziel also noch zur festgesetzten Stunde erreichen, freilich unter der Bedingung, daß man sich nirgends auch nur eine Minute aufhielt und daß die Witterung so günstig wie bisher blieb.
    Die Nacht ließ sich prächtig an, der Mond glänzte hell, als ob er durch eine Depesche des vorsorglichen Bickhorn eigens dazu bestellt wäre, und der Wind wehte von rückwärts, so daß er das Fortkommen des Gefährtes eher etwas beschleunigte. Das Pferd stampfte schon beim Einspannen an der Wechselstation vor Ungeduld; es war eines jener feurigen Thiere von mexikanisch-amerikanischer Rasse, die in den Corrals des Westens gezüchtet werden.
    Was den Wagenlenker betraf, konnte man kaum einen besseren finden. Zehntausend Dollars so leicht zu verdienen – eine solche Summe hatte er auch in seinen kühnsten Träumen noch nicht sein eigen genannt. Und dennoch schien Isidorio von diesem Glücksfall nicht so entzückt, wie er es – wenigstens nach der Meinung Harris T. Kymbale’s – hätte sein sollen.
    »Ob der Spitzbube, fragte er sich, wohl noch auf mehr wartet… vielleicht das Zehnfache haben will?… Doch was sind im Grunde ein paar Tausende gegenüber den Millionen William I. Hypperbone’s?… Ein Tropfen im Meere!… Nun denn, wenn es sein muß, werd’ ich bis zu hundert Tropfen gehen!«
    Der Wagen war eben davongerollt.
    »Isidorio, sagte er diesem da ins Ohr, es handelt sich jetzt nicht mehr um zehntausend Dollars…
    – Halt… nun wollen Sie wohl gar Ihr Versprechen zurücknehmen? rief Isidorio trockenen Tones.
    – O nein, guter Freund, nein, im Gegentheil!… Du sollst hunderttausend Dollars erhalten, wenn wir noch vor dem Schlage der Mittagsstunde in Santa-Fé sind…
    – Hunderttausend Dollars, sagen Sie?« wiederholte Isidorio, indem er dabei das linke Auge halb zukniff.
    Und sofort setzte er hinzu:
    »Freilich… nur wenn Sie gewinnen?
    – Ja, wenn ich gewinne.
    – Könnten Sie mir das nicht auf einem Stückchen Papier schriftlich geben, Herr Kymbale? Es bedarf ja nur weniger Worte…
    – Mit meiner Unterschrift?…
    – Mit Ihrem Namen und dem gewohnten Zuge darunter.«
     

    Indianer von Neu-Mexiko.
     
    Bei einer Sache von solcher Bedeutung genügte ja eine einfache mündliche Zusage nicht. Ohne Zögern nahm Harris T. Kymbale denn auch sein Taschenbuch heraus und schrieb auf eines seiner Blätter, daß er dem Herrn Isidorio aus Santa-Fé unter den erwähnten Bedingungen hunderttausend Dollars zu zahlen sich verpflichtet habe – eine Zahlung also, die sofort geleistet werden solle, wenn der Reporter der einzige Erbe William I. Hypperbone’s würde. Das bekräftigte er durch seine Unterschrift und übergab das Papier dem Wagenlenker.
    Isidorio nahm es, durchlas es, faltete es sorgsam zusammen und schob es tief in die Tasche.
    »Vorwärts also!« sagte er.
    Nun begann aber mit verhängtem Zügel eine wilde Galoppade, und schwindelnd sauste der Wagen die dem Rio Chiquito folgende Straße hinab. Trotz aller Anstrengung aber, trotz der stets drohenden Gefahr, den Wagen zu zertrümmern oder mit ihm in den Fluß zu stürzen, konnte Santa-Fé nicht früher als zehn Minuten vor zwölf Uhr erreicht werden.
    Die Stadt zählt nicht mehr als siebentausend Seelen. Wenn Neumexiko der Bundesrepublik auch schon seit einigen Jahren angegliedert war, so lag seine Zulassung als Staat zu den

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