Das Testament eines Excentrischen
Die beiden Damen waren seitdem nicht mehr verpflichtet, im Magazin der Madison Street zu erscheinen. Schon dieser Umstand erschien der Klügeren von beiden doch etwas bedenklich, denn sie fragte sich, ob ihr Principal wohl so lange auf ihre Dienste verzichten werde, wenn ihre Abwesenheit sich über Wochen, vielleicht über Monate ausdehnte.
»Wir haben unrecht gethan, sagte Lissy Wag wiederholt.
– Ja doch, ja, antwortete Jovita Foley, und wir werden fortfahren, unrecht zu thun, so lange das nöthig erscheint.«
Nach diesen Worten lief das nervöse, leicht erregbare Mädchen unablässig in der kleinen Wohnung in der Sheridan Street hin und her. Sie öffnete den einzigen Mantelsack, der die Leibwäsche und die Kleidungsstücke für die Reise enthielt, und überzeugte sich, daß nichts für ein längeres Verweilen in der Fremde Nothwendiges vergessen war; dann fing sie an zu rechnen und zählte das vorräthige Geld… alle ihre in Gold und Silber umgewechselten Ersparnisse, die die Hotels, die Eisenbahnen und Wagen und allerlei Unvorhergesehenes zum großen Leidwesen Lissy Wag’s verschlingen würden. Sie schwatzte darüber auch mit allen Hausgenossen, deren es in den siebzehn Stockwerke hohen Bienenstöcken Chicagos ja immer so viele giebt. Sie fuhr mit dem Personenaufzug hinunter und wieder hinauf, wenn sie aus den Zeitungen oder von den Ausrufern auf der Straße eine Neuigkeit aufgeschnappt hatte.
»Ah, meine Beste, begann sie eines Tages, abgefahren ist er, jener Herr Max Real, doch wo mag er stecken?… Er hat sich nicht einmal über den von ihm nach Kansas einzuschlagenden Weg geäußert!«
Thatsächlich hätten auch die feinsten Spürhunde der Localchronik die Fährte des jungen Malers nicht verfolgen können, und von diesem war auf weitere Nachrichten, vor dem 15., eine Woche, nachdem Jovita Foley und Lissy Wag die weiten Gebiete der Union zu durchmessen begonnen hatten, gar nicht zu rechnen.
»Nun, wenn ich offenherzig sprechen soll, sagte Lissy Wag, ist von allen unseren Partnern dieser junge Mann der, für den ich mich am meisten interessiere.
– Weil er Dir glückliche Reise gewünscht hat, nicht wahr? antwortete Jovita.
– Auch weil er mir der Begünstigung durch das Glück am würdigsten zu sein scheint.
Santa-Fé.
– Natürlich nach Dir, Lissy?
– Nein, vor mir.
– Ich verstehe. Gehörtest Du nicht selbst zu den »Sieben«, so würden Deine besten Wünsche ihn begleiten…
– Das thun sie auch jetzt!
– Nun ja, kann ja sein. Da Du aber auch selbst und obendrein mit mir, Deiner vertrautesten Freundin, an der Partie betheiligt bist, möchte ich Dich doch ersuchen, statt für jenen Max Real den Himmel für mich um Beistand anzuflehen. Lass’ Dir übrigens gesagt sein, daß niemand weiß, wo er ist… vielleicht befindet er sich nicht weit vom Fort Riley, wenn nicht unterwegs ein Unfall…
– O, das wollen wir nicht hoffen, Jovita!
»Es wird nichts zu bedeuten haben, liebe Freundin«. (S. 165.)
– Natürlich nicht hoffen, meine Liebe, beileibe nicht hoffen!«
Mit ähnlichen, in ihrem Munde ironischen Worten pflegte Jovita Foley meist auf solche Reden der ängstlichen Lissy Wag zu antworten.
Diese noch mehr erregend, fuhr sie dann fort:
»Du sprichst mir niemals von jenem abscheulichen Tom Crabbe; der ist mit seinem Kornak doch auch unterwegs… nach Texas, wenn ich nicht irre. Begleiten denn Deine Wünsche dieses Krustenthier nicht ebenfalls?
– Ich habe nur den Wunsch, Jovita, daß uns das Geschick nicht nach einem so entfernten Lande verschlage.
– Bah, was wäre dabei, Lissy?
– Bedenke, Jovita, wir sind nur zwei Frauen, und ein unserer Heimat benachbarter Staat würde uns doch erwünschter sein…
– Zugegeben, Lissy, wenn das Schicksal aber seine Galanterie nicht so weit treibt, auf unsere Schwäche Rücksicht zu nehmen, wenn es uns nach dem Atlantischen oder nach dem Großen Ocean schickt, vielleicht gar nach dem Golf von Mexiko… so heißt es, sich einfach dem Zwange fügen…
– Und das werden wir thun, weil Du es willst, Jovita.
– Nicht weil ich es will, sondern weil es geschehen muß, Lissy. Du denkst immer nur an die Abfahrt, nie an die Ankunft, an die großartige Ankunft im dreiundsechzigsten Felde – ich, ich denke dagegen Tag und Nacht daran und dann an die Rückkehr nach Chicago… wo uns die Millionen in der Casse des vortrefflichen Notars erwarten…
– Ja, ja, die berühmten Millionen aus der Erbschaft… meinte Lissy Wag
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