Das Testament
Corumba. Nate gab eine Ziffer nach der anderen ein und wartete dann mit angehaltenem Atem. Falls der Ruf nicht durchging, würden sie über Weihnachten bei Marco und seiner Familie festsitzen. Das Haus war klein; Nate nahm an, dass er dann im Stall würde schlafen müssen. Super.
Die Alternative bestand darin, Jevy und Marco mit dem Boot loszuschicken. Es war jetzt fast ein Uhr mittags. Sie würden also den Paraguay, immer vorausgesetzt, es war genug Benzin da, kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Dort mussten sie dann Hilfe finden, was Stunden dauern konnte. Sofern das Benzin nicht ausreichte, würden sie irgendwo mitten im Pantanal liegen bleiben. Jevy hatte gegen diese Variante zwar nicht gerade aufbegehrt, aber es unterstützte sie auch niemand nachhaltig.
Man musste auch andere Faktoren berücksichtigen. Marco war es nicht recht, so spät am Tag noch aufzubrechen. Normalerweise verließ er das Haus bei Sonnenaufgang, wenn er zum Paraguay fuhr, um Handel zu treiben. Zwar konnte man möglicherweise bei einem Nachbarn Marcos, der eine Stunde entfernt lebte, Benzin auftreiben, aber sicher war das nicht.
»Oi«, ertönte eine Frauenstimme im Lautsprecher, und alle lächelten. Nate gab Milton das Telefon, der seine Frau begrüßte und ihr dann das betrübliche Missgeschick schilderte. Jevy dolmetschte flüsternd. Die Kinder bestaunten sein Englisch.
Eine gewisse Erregung kam in die Unterhaltung, dann brach das Gespräch plötzlich ab. »Sie sucht eine Telefonnummer von einem Piloten, den Milton kennt«, erklärte Jevy. Dann war die Nummer gefunden. Milton versprach seiner Frau, zum Abendessen zu Hause zu sein, und legte auf.
Der Pilot war nicht zu Hause. Seine Frau sagte, er habe beruflich in Campo Grande zu tun, werde aber noch vor Einbruch der Dunkelheit zurückkehren. Milton erklärte, wo er sich befand, und sie suchte weitere Telefonnummern heraus, unter denen ihr Mann vielleicht zu erreichen war.
»Sagen Sie ihm, dass er schnell reden soll«, bat Nate Jevy, während er eine weitere Nummer eingab. »Die Batterie hält nicht ewig.«
Unter der nächsten Nummer meldete sich niemand. Bei der übernächsten erklärte der Pilot, dass seine Maschine gerade repariert wurde. Dann riss die Verbindung ab.
Erneut waren Wolken aufgezogen.
Nate sah ungläubig zum sich verdunkelnden Himmel hinauf. Milton war den Tränen nahe.
Die Kinder spielten draußen im kühlen Regen, der rasch vorüberzog. Währenddessen saßen die Erwachsenen auf der Veranda und sahen ihnen schweigend zu.
Jevy hatte noch einen Plan. Am Stadtrand von Corumba gab es eine Kaserne. Zwar hatte er nicht dort gedient, kannte aber einige der dort stationierten Offiziere vom Gewichtheben. Als der Himmel wieder klar war, kehrten sie zum Baumstumpf zurück und drängten sich um das Telefon. Jevy rief einen Bekannten an, der ihm Telefonnummern heraussuchte.
Das Heer besaß Hubschrauber, und immerhin ging es hier um die Bruchlandung eines Flugzeugs. Als sich der Offizier meldete, an den der Anruf weitergegeben worden war, erklärte Jevy rasch, worum es sich handelte, und bat um Hilfe.
Für Nate war es eine Qual, Jevy zu beobachten. Er verstand kein Wort, begriff aber aufgrund von Jevys Körpersprache, was ablief. Lächeln und Stirnrunzeln, dringliches Bitten, enttäuschte Pausen, dann die Wiederholung all dessen, was bereits gesagt worden war.
Als Jevy fertig war, sagte er zu Nate: »Er will mit seinem Kommandanten sprechen. Ich soll ihn in einer Stunde wieder anrufen.«
Die Stunde dehnte sich wie eine Woche. Die Sonne zeigte sich wieder am Himmel und trocknete das nasse Gras. Die Luftfeuchtigkeit war erdrückend. Nate, der nach wie vor kein Hemd trug, merkte, dass er einen Sonnenbrand bekam.
Sie zogen sich in den Schatten eines Baums zurück. Die Frau des Hauses sah nach den Hemden, die beim letzten Schauer draußen hängen geblieben waren. Sie waren immer noch nass.
Jevy und Milton, deren Haut deutlich dunkler war als Nates, machte die Sonne nichts aus, und auch Marco kümmerte sich nicht weiter darum. Als die drei zum Flugzeug hinübergingen, um sich den Schaden genauer zu besehen, blieb Nate in der Sicherheit des Schattens zurück. Die Hitze des Nachmittags war erdrückend.
Er spürte Schmerzen in Brust und Schultern und fand, dass ein kleines Nickerchen nichts schaden könnte. Aber die Jungen hatten anderes im Sinn. Nach einer Weile wusste er auch, wie sie hießen. Luis, der Sekunden vor ihrer Landung die Kuh von der Bahn getrieben hatte,
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