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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Ausschau nach einer Fazenda halten. Da landen wir und warten, bis die Gewitterfront vorbei ist.« Seine Stimme war schrill und besorgt, der Akzent, mit dem er sprach, deutlicher ausgeprägt als vorher.
    Nate nickte, so gut er konnte. Sein Kopf flog von einer Seite auf die andere, vom Schlag ans Kabinendach hatte er Kopfschmerzen. Außerdem spürte er, wie sich sein Magen hob.
    Einige Minuten lang sah es so aus, als könne die Cessna das Rennen gewinnen. Na klar, dachte Nate, ein Flugzeug, ganz gleich, ob klein oder groß, kann einem Gewitter auf jeden Fall davonfliegen. Er rieb sich den Schädel und verkniff es sich, nach unten zu sehen. Doch jetzt kamen die dunklen Wolken von beiden Seiten.
    Was für ein zurückgebliebener, hirnrissiger Pilot war das eigentlich, dass er ohne den geringsten Blick auf das Wetterradar einen Flug antrat? Andererseits war das Radar, immer vorausgesetzt, die Leute hatten überhaupt eins, wahrscheinlich zwanzig Jahre alt und bereits wegen der Feiertage abgeschaltet.
    Die Winde umtosten das Kleinflugzeug, und der Regen hämmerte gegen Scheiben und Rumpf. Dichte Wolken zogen vorüber. Die Gewitterfront holte sie ein, überholte sie, und die Maschine wurde von einer Seite zur anderen geschleudert, tanzte auf und ab. Volle zwei Minuten lang gehorchte sie wegen der Turbulenzen dem Steuer nicht. Es war eher ein Ritt auf einem Mustang als ein Flug durch die Wolken.
    Bei einem Blick aus dem Fenster merkte Nate, dass nichts zu sehen war: weder Wasser noch Sumpf, und erst recht keine freundliche kleine Fazenda mit einer Landebahn. Er ließ sich noch tiefer in seinen Sitz sinken. Mit zusammengebissenen Zähnen nahm er sich vor, sich auf keinen Fall zu übergeben.

    Als die Maschine in einem Luftloch in weniger als zwei Sekunden dreißig Meter durchsackte, stießen alle drei Männer Verwünschungen aus. Die Angst in der Kabine war geradezu mit Händen zu greifen.
    Dann trat eine sehr kurze Pause ein, in der die Luft stillzustehen schien.
    Milton schob den Steuerknüppel nach vorn und zog die Maschine steil nach unten.
    Nate hielt sich mit beiden Händen an der Rückenlehne vor ihm fest und kam sich zum ersten und hoffentlich einzigen Mal in seinem Leben wie ein Kamikazeflieger vor. Sein Herz raste, sein Magen schien ihm in der Kehle zusitzen. Er schloss die Augen und dachte an Sergio und an den Yogalehrer von Walnut Hill, der ihm Beten und Meditieren beigebracht hatte. Er versuchte beides, aber das erwies sich für jemanden, der in einem zu Boden stürzenden Flugzeug gefangen saß, als unmöglich. Der Tod war nur noch Sekunden entfernt.
    Ein Donnerschlag unmittelbar über der Cessna betäubte und erschütterte sie bis ins Mark. Es war, als hätte man in einem dunklen Zimmer ein Gewehr abgefeuert.
    Nate hatte den Eindruck, seine Trommelfelle wären geplatzt.
    In hundertfünfzig Metern Höhe fing Milton die Maschine ab. Der Sturzflug war zu Ende, die Böen aber nicht. »Halten Sie Ausschau nach einer Fazenda\« schrie Jevy vom Vordersitz, und Nate sah zögernd hinaus. Regen und Sturm hämmerten auf den Boden unter ihnen. Die Bäume schwankten, und auf den Wasserflächen tanzten Schaumkronen. Jevy suchte auf der Karte herum, aber sie hatten nicht die geringste Vorstellung davon, wo sie sich befanden.
    Der weiß wie Gischt herabströmende Regen verminderte die Sicht auf hundert, vielleicht zweihundert Meter. Mitunter konnte Nate den Boden kaum erkennen.
    Wahre Sturzbäche von Regen umgaben sie, die der orkanartige Wind seitwärts trieb. Wie ein Kinderdrachen tanzte das Flugzeug durch die Luft. Milton bemühte sich mit allen Kräften, die Herrschaft über die Maschine zu behalten, während Jevy verzweifelt in alle Richtungen spähte. Sie waren nicht bereit, kampflos unterzugehen.
    Aber Nate gab auf. Wie wollte jemand sicher landen, der nicht einmal den Boden sehen konnte? Das Gewitter hatte seinen Höhepunkt noch vor sich. Alles war aus.
    Er dachte nicht daran, mit Gott zu feilschen. Das Schicksal, das ihn erwartete, hatte er mit seinem Lebenswandel verdient. Hunderte von Menschen kommen jedes Jahr bei Flugzeugabstürzen um; er war nicht besser als andere.
    Unmittelbar unter ihnen sah er ein Stück Fluss, und mit einem Mal fielen ihm die Kaimane und Anakondas ein. Die Vorstellung einer Notlandung im Sumpf erfüllte ihn mit Entsetzen. Er sah sich schon schwer verletzt ums Überleben kämpfen, stellte sich vor, wie er versuchte, das verdammte Satellitentelefon in Gang zu setzen, während er gleichzeitig

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