Das Testament
jährlich, im März und im August, schrieben sie einander, und gewöhnlich rief Rachel einmal im Jahr aus einer Telefonzelle in Corumba an, wenn sie dort einkaufte, was sie an Medizin und dergleichen brauchte. Neva hatte im vergangenen Jahr mit ihr gesprochen. Zum letzten Mal war Rachel 1992 in den Staaten gewesen. Sie hatte ihren Urlaub nach sechs Wochen abgebrochen und war ins Pantanal zurückgekehrt. Sie könne dem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten nichts abgewinnen und fühle sich dort nicht zu Hause, hatte sie Neva anvertraut. Sie gehöre zu den Menschen, unter denen sie auch sonst lebte.
Danach zu urteilen, was die Anwälte in der Zeitung von sich gaben, war die Nachlassangelegenheit im Falle Phelan alles andere als endgültig geklärt. Neva nahm sich vor, dem Vorstand zu gegebener Zeit mitzuteilen, wer Rachel in Wirklichkeit war.
Vielleicht aber war das gar nicht nötig, hoffte sie. Wie verheimlicht man elf Milliarden Dollar, fragte sie sich.
Niemand hatte wirklich damit gerechnet, dass sich die Anwälte über einen Treffpunkt einigen würden. Jede Kanzlei bestand darauf, selbst den Ort für das Gipfeltreffen zu bestimmen. Es war bereits mehr als beachtlich, dass sie sich so kurzfristig geeinigt hatten, überhaupt zusammenzutreffen.
Schließlich fand die Versammlung im Hotel Ritz in Tysons Corner statt, in einem Bankettsaal, dessen Tische man in aller Eile zu einem Quadrat zusammengerückt hatte. Als sich die Tür endlich schloss, befanden sich an die fünfzig Menschen im Saal, denn jede Kanzlei hatte sich verpflichtet gefühlt, weitere Anwälte, Anwaltsgehilfen und sogar Sekretärinnen mitzubringen, um den anderen zu imponieren.
Die Spannung ließ sich fast mit Händen greifen. Da die Rechtsvertreter unter sich sein wollten, war von der Familie Phelan niemand anwesend.
Hark Gettys bat um Ruhe und erzählte einen sehr lustigen Witz. Das war eine gute Idee. Wie in einem Gerichtssaal, wo jeder nervös und besorgt ist und nicht mit einem Spaß rechnet, wirkte das laute Gelächter befreiend. Danach schlug er vor, dass für jeden der Phelan-Erben einer der Anwälte rund um den Tisch sagen sollte, was er oder sie jeweils auf dem Herzen hatte. Er selbst werde als letzter das Wort ergreifen.
Jemand fragte: »Und wer genau sind die Erben?«
»Phelans sechs Kinder«, erwiderte Hark. «
»Und was ist mit den drei Frauen?«
»Das sind keine Erbinnen, sondern Ex-Frauen.«
Das verärgerte deren Anwälte, die nach längerem Hin und Her drohten, den Raum zu verlassen. Als jemand vorschlug, man möge ihnen trotzdem die Möglichkeit geben, sich zu äußern, war die Schwierigkeit aus der Welt geschafft.
Grit, der dynamische Prozessanwalt, der Mary ROSS Phelan Jackman und ihren Mann vertrat, stand auf und sprach sich für eine offene Kriegserklärung aus. »Uns bleibt keine Wahl, als das Testament anzufechten«, sagte er. »Da niemand den alten Knacker in unzulässiger Weise beeinflusst hat, müssen wir beweisen, dass er verrückt war. Teufel, er ist vom Dach gesprungen. Und er hat eins der bedeutendsten Vermögen der Welt einer unbekannten Frau vermacht. In meinen Augen ist das verrückt. Bestimmt können wir Psychiater finden, die das bestätigen.«
»Was ist denn mit den dreien, die ihn begutachtet haben, bevor er gesprungen ist?« fragte jemand über den Tisch hinweg.
»Das war dämlich«, knurrte Grit zurück. »Man hat euch eine Falle gestellt, und ihr seid prompt reingetappt.«
Das ärgerte Hark und die anderen Anwälte, die sich mit der Begutachtung von Troy Phelans Geisteszustand einverstanden erklärt hatten. »Hinterher ist man immer klüger«, sagte Yancy und brachte Grit damit erst einmal zum Schweigen.
Das Juristenteam von Geena und Cody Strong wurde von einer hochgewachsenen und üppigen Anwältin in einem Armani-Kostüm angeführt. Ms. Langhorne war früher einmal Juradozentin in Georgetown gewesen, und als sie jetzt das Wort an die Versammelten richtete, tat sie das mit der Aura der Allwissenheit. Punkt eins: Im Staate Virginia würden lediglich zwei Gründe anerkannt, ein Testament anzufechten - unzulässige Beeinflussung und Unzurechnungsfähigkeit des Erblassers. Da niemand Rachel Lane kenne, dürfe man als sicher annehmen, dass sie nur wenig oder keinen Kontakt mit dem Erblasser gehabt habe. Mithin werde man nur schwer, wenn überhaupt, beweisen können, dass sie ihn bei der Abfassung seines Letzten Willens auf irgendeine Art in unzulässiger Weise beeinflusst habe. Punkt zwei: Mithin
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