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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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widerrufe ich alle früheren Testamente, einschließlich dessen, das ich vor weniger als fünf Minuten unterzeichnet habe.« Ich falte die Blätter und stecke sie wieder in den Umschlag.
    Ich beiße die Zähne zusammen und denke daran, wie sehr ich mich danach sehne zu sterben.
    Ich schiebe den Umschlag über den Tisch Stafford zu und erhebe mich im selben Augenblick aus dem Rollstuhl. Meine Beine zittern. Mein Herz hämmert. Nur noch Sekunden. Bestimmt werde ich tot sein, bevor ich auf dem Boden lande.
    »He!« ruft jemand, vermutlich Snead. Aber ich entferne mich von ihnen.
    Der Lahme geht, rennt beinahe an der Reihe von Ledersesseln vorüber, an einem meiner Porträts, einem schlechten Gemälde, das eine meiner Frauen in Auftrag gegeben hat, an allem vorüber, zu den Schiebetüren, die nicht abgeschlossen sind. Ich weiß das, weil ich das Ganze vor ein paar Stunden geprobt habe.
    »Halt!« schreit jemand, und jetzt sind sie hinter mir her. Seit einem Jahr hat mich niemand gehen sehen. Ich greife nach der Klinke und öffne die Tür. Die Luft ist bitterkalt. Ich trete barfuss auf die schmale Terrasse im obersten Stockwerk meines Gebäudes. Ohne nach unten zu sehen, stürze ich mich über das Geländer.

    DREI

    Snead war zwei Schritte hinter Mr. Phelan und nahm eine Sekunde lang an, er werde ihn einholen. Er war so entsetzt gewesen, als er den alten Mann nicht nur aufstehen und gehen, sondern praktisch zur Tür sprinten sah, dass er förmlich erstarrt war. Schon seit Jahren hatte sich Mr. Phelan nicht so schnell bewegt.
    Snead erreichte das Geländer gerade noch rechtzeitig, um einen Entsetzensschrei auszustoßen, musste dann aber hilflos mit ansehen, wie Mr. Phelan lautlos fiel, mit Armen und Beinen um sich schlug und immer kleiner wurde, bis er auf dem Boden aufschlug. Snead krallte sich am Geländer fest, während er ungläubig nach unten sah. Dann begannen ihm die Tränen über das Gesicht zu laufen.
    Josh Stafford erreichte die Terrasse einen Schritt hinter Snead und bekam den Sturz zum größten Teil mit. Es geschah so schnell, zumindest der Sprung; der anschließende Sturz in die Tiefe schien eine Stunde zu dauern. Zwar fällt ein Mann von knapp siebzig Kilo in weniger als fünf Sekunden aus einer Höhe von neunzig Metern, aber Stafford erzählte später allen Leuten, der alte Mann habe eine Ewigkeit lang in der Luft geschwebt, wie eine Feder, die im Wind dahintreibt.
    Tip Durban, der unmittelbar hinter Stafford das Geländer erreichte, bekam lediglich den Aufprall des Körpers auf der mit Ziegelsteinen gepflasterten Fläche zwischen dem Haupteingang und einer kreisförmigen Auffahrt mit. Aus irgendeinem Grund hielt Durban den Umschlag in der Hand, den er, ohne es zu merken, vom Tisch genommen hatte, während sie dem alten Troy nachsetzten. Er fühlte sich sehr viel schwerer an, als Durban in der beißend kalten Luft dastand und auf eine Szene aus einem Horrorfilm hinabsah, der sich die ersten Zuschauer näherten.
    Troy Phelans Sturz verlief nicht so dramatisch, wie er es sich gewünscht hatte.
    Er flog weder wie ein Engel der Erde entgegen, mit einem vollkommenen Kopfsprung, bei dem das Seidengewand hinter ihm flatterte, noch landete er genau in dem Augenblick tot vor den Augen seiner entsetzten Angehörigen, in dem sie das Gebäude verließen. Lediglich ein untergeordneter Angestellter aus der Lohnbuchhaltung, der nach einer sehr langen Mittagspause in einer Bar über den Parkplatz eilte, wurde Zeuge des Sturzes. Er hörte eine Stimme, hob den Blick zum obersten Stockwerk und sah entsetzt einen blassen, nackten Körper, um dessen Hals etwas wie ein Bettlaken flatterte. Wie nicht anders zu erwarten, landete er mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden.
    Gerade als der Angestellte zu dem Punkt rannte, wo der Körper mit dem Rücken aufgeprallt war, merkte ein Angehöriger des Werkschutzes, dass etwas nicht in Ordnung war, und verließ seinen Posten neben dem Haupteingang des Phelan-Turms.
    Da weder der Wachmann noch der Angestellte Mr. Troy Phelan je gesehen hatte, wusste keiner von beiden zunächst, wessen blutigen, aberwitzig verdrehten und nackten Leichnam sie da betrachteten, den in Höhe der Arme ein Laken umgab. Mit Sicherheit wussten sie nur, dass der Mann tot war.
    Dreißig Sekunden später hätte sich Troys Wunsch erfüllt. Da sich Tira und Ramble im vierten Stock befunden hatten, verließen sie zusammen mit Dr. Theishen und ihrem Aufgebot von Anwälten als erste das Gebäude und erreichten daher

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