Das Testament
auch als erste den Ort des Schreckens. Tira kreischte, nicht aus Schmerz, Liebe oder unter dem Eindruck eines Verlustes, sondern einfach wegen des Schocks, den der Anblick des alten Troy auf den Ziegelsteinen in ihr auslöste. So durchdringend war der Schrei, dass ihn Snead, Stafford und Durban dreizehn Stockwerke höher deutlich hören konnten.
Ramble fand den Anblick ziemlich stark. Da er mit dem Fernsehen aufgewachsen und süchtig nach Video-Spielen war, lockte ihn jede Schreckensszene geradezu magnetisch an. Er löste sich von seiner kreischenden Mutter und kniete sich neben seinen toten Vater. Der Wachmann legte ihm die Hand fest auf die Schulter.
»Das ist Troy Phelan«, sagte einer der Anwälte, während« sich über den Leichnam beugte.
»Sagen Sie bloß«, sagte der Wachmann.
»Ist ja ‘n Ding«, sagte der Angestellte.
Weitere Menschen kamen aus dem Gebäude gerannt.
Die nächsten waren Janie, Geena und Cody mit ihrem Psychiater Dr. Flowe und ihren Anwälten. Aus ihrem Mund hörte man keine Schreie, niemand brach zusammen.
Sie drängten sich dicht aneinander, hielten Abstand von Tira und ihrer Gruppe und glotzten wie alle anderen zu dem armen Troy hinüber.
Funkgeräte knisterten, als ein weiterer Wachmann eintraf und die Sache in die Hand nahm. Er rief nach einem Rettungswagen.
»Welchen Sinn soll das haben?« fragte der Angestellte aus der Lohnbuchhaltung, der sich in den Vordergrund spielte, weil er als erster am Ort des Geschehens eingetroffen war.
»Wollen Sie ihn etwa in Ihrem eigenen Wagen wegbringen?« fragte der Wachmann.
Ramble sah zu, wie das Blut die Mörtelfugen zwischen den Steinen füllte und in vollkommenen rechten Winkeln ein leichtes Gefalle hinablief, auf einen eingefrorenen Springbrunnen und einen Fahnenmast in der Nähe zu. Ein Aufzug voller Menschen hielt in der Eingangshalle. Die Türen öffneten sich, und Lillian trat mit ihren Kindern und deren Begleitern heraus. Die ganze Gruppe wandte sich nach links einem Nebenausgang entgegen, denn TJ und Rex hatten hinter dem Gebäude geparkt, weil sie sich auskannten: Beide hatten einst ein eigenes Büro in dem Gebäude besessen. Mit einem Mal rief jemand vom Haupteingang des Gebäudes her: »Mr. Phelan ist gesprungen!« Sie änderten ihre Richtung und eilten zum gepflasterten Vorplatz in der Nähe des Springbrunnens, wo sie ihn fanden.
Jetzt brauchten sie doch nicht auf den Gehirntumor zu warten.
Es dauerte rund eine Minute, bis sich Joshua Stafford von seinem Entsetzen erholt hatte und wieder wie ein Anwalt denken konnte. Er wartete, bis die Angehörigen der dritten und letzten Familie unten zu sehen waren, dann bat er Snead und Durban in den Raum zurück.
Snead stellte sich vor die immer noch eingeschaltete Kamera, und nachdem er geschworen hatte, die Wahrheit zu sagen, berichtete er, was er soeben mit angesehen hatte. Dabei musste er gegen seine Tränen ankämpfen. Stafford öffnete den Umschlag und hielt die gelben Blätter so nahe vor die Kamera, dass die Schrift lesbar war.
»Ich habe gesehen, wie er diese Blätter vor wenigen Sekunden unterschrieben hat«, bestätigte Snead.
»Und erkennen Sie das als seine Unterschrift?« fragte Stafford.
»Ja, ja, das ist sie.«
»Hat er erklärt, dass es sich dabei um seine letztwillige Verfügung handelt?«
»Er hat es als sein Testament bezeichnet.«
Stafford nahm die Blätter wieder an sich, bevor Snead lesen konnte, was darauf stand. Er ließ Durban dieselbe Aussage machen, stellte sich dann selbst vor die Kamera und erklärte, was er zum Ablauf der Ereignisse zu sagen hatte. Die Kamera wurde abgeschaltet, und die drei fuhren nach unten, um Mr. Phelan die letzte Ehre zu erweisen. Der Fahrstuhl war voller Angestellter der Firma, die zwar tief betroffen waren, es sich aber auf keinen Fall entgehen lassen wollten, den Alten ein letztes Mal zu sehen, noch dazu in dieser sonderbaren Situation. Allmählich leerte sich das Gebäude. In einer Ecke hörte man Snead erstickt schluchzen.
Wachmänner hatten die Menge abgedrängt. Man hörte eine Sirene näherkommen.
Jemand machte letzte Erinnerungsfotos von Troy Phelan, der in einer Blutlache lag, dann wurde eine schwarze Decke über den Leichnam ausgebreitet.
Bei den Angehörigen überlagerte schon bald leichter Kummer das Entsetzen über den Tod. Gesenkten Hauptes standen sie da, den Blick betrübt auf die Decke gerichtet, und dachten an das, was zu erledigen sein würde. Es war unmöglich, Troy anzusehen und nicht an das viele Geld
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