Das Titanic-Attentat
Unglücksnacht längere Zeit fehlte. Die vorderen acht Rettungsboote kamen beim Herablassen direkt an diesen nicht zu öffnenden Fenstern der ersten Klasse vorbei.« [62]
Das A-Deck unterhalb der vorderen Rettungsboote: Links auf der
Titanic
, [15] rechts auf der
Olympic
[16]
Zwar wird dieser Umbau auch damit erklärt, dass man im letzten Moment die Bruttoregistertonnage des Schiffes (den umbauten Raum) erhöhen wollte. Dann erhebt sich allerdings die Frage, warum die Fenster so konstruiert wurden, dass sie von Passagieren nicht zu öffnen waren, sondern man dafür ein spezielles Werkzeug benötigte, über das nur die Crew verfügte.
Laut der Erste-Klasse-Passagierin Ella White war das verschlossene Promenadendeck der Hauptgrund, warum die Boote so unterbelegt waren. Es sei zu gefährlich gewesen, die Boote voll besetzt vom Bootsdeck aus zu fieren. Wenn die unteren Decks offen gewesen wären, hätten mehr Menschen gerettet werden können. »Die
Titanic
war eine Mausefalle«, lautete ihre Schlussfolgerung. [63]
Auf jeden Fall bedeuteten die Fenster vor dem vorderen A-Deck, dass der Zugang zu den vorderen Rettungsbooten – solange die Fenster nicht von der Crew geöffnet wurden – ausschließlich vom Bootsdeck aus erfolgen konnte, das von den Offizieren der
Titanic
kontrolliert wurde. Man konnte auf dem A-Deck auch nicht einfach nach hinten laufen, um in eines der vom Heck aus gefierten Boote zu springen, weil das A-Deck in einzelne Bereiche unterteilt war – und das gilt auch für das Bootsdeck. Anhand des konkreten Geschehens bei der Rettung der Passagiere komme ich darauf zurück.
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Die Ratten verlassen das sinkende Schiff
Wieso »die Ratten verlassen das sinkende Schiff«? Noch sind wir doch gar nicht so weit! Noch hat die Reise ja nicht einmal angefangen! Noch ist die
Titanic
nicht einmal losgefahren, vom Sinken ganz zu schweigen.
Ja, schon – aber trotzdem fing die Flucht an, bevor die
Titanic
überhaupt auf den Atlantik hinausgefahren war.
Hier eine kleine Chronologie der ersten und letzten Reise der
Titanic:
Die erste und letzte Reise der Titanic
Datum
Uhrzeit
Ereignis
02.04.1912
06.00–18.00
Probefahrt bei Belfast
20.00
Abfahrt in Belfast Richtung
Southampton
04.04.1912
nach 0.00
Ankunft in Southampton am Donnerstag, 4. April 1912, nach Mitternacht
4.4.–10.4.
1912
Reisevorbereitungen, Fracht, Passagiere
10.04.1912
12:00
Abfahrt in Southampton. Beinahe-kollision mit der
New York
Ankunft in Cherbourg, Frankreich, am Spätnachmittag
20:10
Abfahrt in Cherbourg
11.04.1912
11:30
Ankunft in Queenstown, Irland (heute Cobh, Cork)
13:40
Abfahrt in Queenstown Richtung New York City
14.04.1912 (Samstag)
23:40
Titanic
kollidiert mit einem Eisberg
15.04.1912 (Sonntag)
02:20
Titanic
sinkt
15.04.1912 (Sonntag)
04:40
Die
Carpathia
erreicht die Unglücksstelle und beginnt mit der Bergung der Rettungsboote
18.04.12
21:00
Die
Carpathia
erreicht mit den Überlebenden New York
Erste Etappe der
Titanic
-Reise: Von der Werft in Belfast ging es erst nach Southampton, wo Besatzung, Passagiere und Fracht aufgenommen wurden. Dann ging es am 10. April weiter ins französische Cherbourg, von dort nach Queenstown und am 11. April 1912 von da aus schließlich nach New York. [17]
Was heute als unvorhersehbare Katastrophe dargestellt wird, war in Wirklichkeit für eine ganze Reihe von Leuten keine Überraschung. »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff« war in Sachen
Titanic
noch eine Untertreibung – und zwar, weil die possierlichen Tierchen gar nicht erst mit auf Reisen gingen.
Fest steht, dass der stolze Ozeanliner für eine Jungfernfahrt definitiv unterbesetzt war – eine Tatsache, die man ebenfalls nicht aus Hollywood-Spielfilmen erfährt. Dort erscheint das Schiff immer als strahlender Ozeanliner voller festlich gekleideter Menschen. Auch die dritte Klasse ist da mit hoffnungsfrohen Auswanderern vollgepackt.
Als die
Titanic
ihre erste Atlantiküberquerung antrat, war sie jedoch alles andere als voll besetzt. Am 10. April 1912 legte sie in Southampton ab, überquerte den Kanal zum französischen Cherbourg und fuhr von da aus noch in den irischen Hafen Queenstown. Als sie dort am 11. April 1912 ablegte, hatte sie statt 2400 Passagieren nur etwa 1320 an Bord, also über tausend Passagiere weniger als möglich und etwa hundert weniger, als ihr Schwesterschiff
Olympic
bei ihrer Jungfernreise am 14. Juni 1911. Offenbar riss man sich also nicht gerade um die Jungfernfahrten mit der
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