Das Tor zur Hölle - Hellraiser
zu verbergen. Der Spiegel hatte ihre Befürchtungen bestätigt: daß es keine Möglichkeit gab, ihre Aufregung zu verheimlichen. Also war sie gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen.
»Bist du okay?« fragte er sie. Er stand draußen vor der Badezimmertür.
»Nein«, sagte sie. »Mir ist schlecht.«
»Oh, Liebling …«
»Es wird mir gleich wieder besser gehen.«
Er drückte die Klinke herunter, doch sie hatte die Tür verriegelt.
»Kannst du mich bitte einen Moment allein lassen?«
»Soll ich einen Arzt rufen?«
»Nein«, erklärte sie ihm. »Nein. Wirklich nicht. Aber ich könnte einen Brandy gebrauchen …«
»Brandy …?«
»Ich komme gleich nach unten.«
»Was immer Madame befehlen«, witzelte er. Sie zählte seine Schritte, als er zur Treppe schlurfte und hinunterging. Als sie schließlich ausgerechnet hatte, daß er außer Hörweite sein mußte, schob sie den Riegel zurück und trat in den Flur hinaus.
Das Licht des späten Nachmittags wurde immer schwächer; der Flur glich einem düsteren Tunnel.
Von unten hörte sie das Aneinanderschlagen von Gläsern. Sie huschte so schnell sie es sich traute, zu Franks Zimmer.
Es drang kein Geräusch aus dem düsteren Raum. Die Wände zitterten nicht mehr; ebensowenig läutete die Glocke. Sie stieß die Tür auf; sie knarrte leise.
Nach getaner Arbeit hatte sie nicht ordentlich sauber gemacht. Es lag Staub auf dem Boden, menschlicher Staub; und kleine Stückchen gedörrten Fleisches. Sie ging in die Hocke und sammelte sie alle einzeln auf. Rory hatte recht gehabt. Was für eine perfekte Hausfrau sie doch war.
Als sie sich wieder aufrichtete, bewegte sich etwas in den immer dunkler werdenden Schatten des Zimmers. Sie schaute in Richtung der Bewegung, doch bevor sie die Gestalt in der Ecke noch richtig ausmachen konnte, sagte eine Stimme:
»Sieh mich nicht an.«
Es war eine matte Stimme – die Stimme eines Menschen, den die Geschehnisse ausgelaugt hatten; aber sie war greffoir . Die Silben wurden von derselben Luft getragen, die sie atmete.
»Frank«, sagte sie.
»Ja …«, erwiderte die gebrochene Stimme, »… ich bin's.«
Rory rief von unten zu ihr herauf. »Fühlst du dich schon besser?«
Sie ging zur Tür.
»Viel besser …«, erwiderte sie laut. Hinter ihr sagte das verborgene Wesen: »Laß ihn nicht in meine Nähe«, die Worte kamen schnell und eindringlich.
»Ist schon gut«, flüsterte sie ihm zu. Und dann, an Rory gewandt: »Ich bin in einer Minute bei dir. Leg doch etwas Musik auf. Etwas Beruhigendes.«
Rory erwiderte, daß er es tun würde und zog sich ins Wohnzimmer zurück.
»Ich bin erst halb fertig«, sagte Franks Stimme. »Ich möchte nicht, daß du mich … möchte nicht, daß irgend jemand mich … so sieht. Ich brauche noch mehr Blut, Julia.«
Abermals kamen die Worte schleppend und verzerrt.
»Mehr?«
»Und schnell.«
»Wieviel mehr?« fragte sie die Schatten. Diesmal konnte sie ein klein wenig besser ausmachen, was sich dort verborgen hielt. Kein Wunder, daß er von niemand gesehen werden wollte.
»Einfach mehr«, sagte er. Auch wenn es kaum lauter als ein Flüstern war, lag doch eine Dringlichkeit in der Stimme, die ihr Angst machte.
»Ich muß gehen …«, sagte sie, als sie Musik von unten hörte.
Diesmal gab die Dunkelheit keine Antwort. An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
»Ich bin froh, daß du zurückgekommen bist«, flüsterte sie. Als sie dir Tür schloß, hörte sie hinter sich einen Laut, der einem Lachen sehr ähnlich war – oder einem Schluchzen.
SIEBEN
»Kirsty? Bist du das?«
»Ja? Wer spricht da?«
»Ich bin's, Rory …«
Die Verbindung war verwaschen, als ob der Wolkenbruch draußen in das Telefon gesickert sei. Trotzdem war sie einfach glücklich, von ihm zu hören. Er rief so selten an, und wenn er es tat, war es zumeist in seinem und Julias Namen. Diesmal jedoch nicht. Diesmal war Julia das Thema.
»Irgend etwas stimmt mit ihr nicht, Kirsty …«, sagte er. »Ich weiß nicht, was.«
»Du meinst, sie ist krank?«
»Vielleicht. Sie benimmt sich mir gegenüber so merkwürdig. Und sie sieht schrecklich aus.«
»Hast du sie schon einmal darauf angesprochen?«
»Sie sagt, es ginge ihr gut. Aber das stimmt nicht; ich habe mich gefragt, ob sie vielleicht dir etwas erzählt hat.«
»Ich habe sie seit der Einweihungsfeier nicht mehr gesehen.«
»Das ist auch so seltsam. Sie will das Haus überhaupt nicht mehr verlassen. Das kenne ich von ihr gar nicht.«
»Möchtest du,
Weitere Kostenlose Bücher