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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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geschafft, ihr Hochzeitskleid anzuziehen und sich den Schleier oben festzustecken. Nun saß sie mit dem beschmutzten Kleid im Dreck, doch trotzdem strahlte sie, inmitten all der Zerstörung, noch Schönheit aus.
    »Hilf mir«, sagte sie, und erst jetzt erkannte Kirsty, daß die Stimme nicht unter dem Schleier hervor, sondern aus dem Schoß der Braut kam.
    Dann öffneten sich die reichen Falten des Kleides – und da sah man Julias Kopf, auf einem Kissen aus scharlachrotgetränkter Seide ruhend und eingerahmt von einer Kaskade kastanienbraunen Haars. Wie konnte er ohne Lunge sprechen? Dennoch redete er …
    »Kirsty …«, jammerte, flehte der Kopf, seufzte und rollte auf dem Schoß der Braut hin und her als hoffe er, seinen Verstand wiederfinden zu können.
    Kirsty wäre ihm vielleicht zu Hilfe geeilt – hätte ihn vielleicht gepackt und ihn zerschmettert – doch in diesem Augenblick bewegte sich der Brautschleier … und er hob sich, als würde er von unsichtbaren Fingern gelüftet. Darunter flackerte ein Licht, das heller wurde, heller und noch heller; und mit dem Licht kam eine Stimme.
    »Ich bin der Initiator«, hauchte die Stimme. Das war alles.
    Dann hoben sich die Falten des Schleiers noch höher, und der Kopf darunter erstrahlte mit der Helligkeit einer kleinen Sonne.
    Sie wartete nicht ab, bis das gleißende Licht sie blendete, sie schob sich rückwärts in den Flur hinaus – der Vogelschwarm hatte sich nun beinahe zu einer massiven Wand verdichtet, die Wölfe heulten noch tollwütiger – und rannte auf die Haustür zu, während im selben Augenblick die Decke des Flurs herabstürzte.
    Draußen umfing sie Nacht – eine reine Dunkelheit. Sie sog sie in gierigen Zügen ein, als sie aus dem Haus stürmte. Zum zweiten Mal entkommen. Gott stehe ihr bei … ein drittes Mal durfte es nicht geben.
    An der Ecke der Lodovico Street schaute sie zurück. Das Haus hatte vor den Mächten, die in seinem Innern tobten, nicht kapituliert. Es stand so still wie ein Grab da. Nein – noch stiller.
    Als sie sich wieder umdrehte, stieß sie mit jemandem zusammen. Sie schrie überrascht auf, doch der tief verhüllte Fußgänger eilte schon weiter, verschwand in dem Dunst und dem Zwielicht, die dem Morgen vorangingen. Die Gestalt war fast schon eins mit dem Nebel geworden, da warf sie ihr einen Blick über die Schulter zu – und der Kopf flammte in der Dunkelheit auf, ein Ball weißen Feuers. Es war der Initiator. Im nächsten Augenblick schon war nichts mehr von ihm zu sehen. Nur das Nachbrennen des Lichts flackerte noch auf Kirstys Netzhaut.
    Erst jetzt erkannte sie den Grund für diesen Zusammenstoß. Man hatte ihr Lemarchands Würfel zurückgegeben; er ruhte nun in ihrer Hand.
    Seine Oberflächen waren von neuem makellos versiegelt und auf Hochglanz poliert worden. Obwohl sie ihn nicht näher untersuchte, war sie sicher, daß kein Hinweis mehr auf den Weg in sein Inneres zu sehen sein würde. Der nächste Entdecker würde die spiegelnden Flächen ohne Karte bereisen müssen. Und bis dahin war sie als sein Wächter auserkoren worden? Offensichtlich.
    Sie drehte den Würfel in ihrer Hand herum. Für den Bruchteil eines Augenblicks vermeinte sie, schemenhafte Gesichter im glänzenden Lack ausmachen zu können: Julias Züge, und die von Frank. Sie drehte ihn abermals, um nachzusehen, ob auch Rory darin gefangen war – doch nein. Wo immer er auch sein mochte, hier war es nicht. Vielleicht gab es noch andere Geduldsspiele, die einem, wenn man sie löste, Zutritt zu dem Ort verschaffen könnten, wo er sich befand. Ein Kreuzworträtsel vielleicht, dessen Lösung den Riegel zu einem Paradiesgarten zurückschob; oder ein Puzzle, das richtig zusammengesetzt den Schlüssel zu einem Wunderland bot.
    Sie würde abwarten und die Augen offenhalten, so wie sie stets abgewartet und die Augen offengehalten hatte. Es blieb ihr die Hoffnung, daß sie eines Tages auf ein solches Geduldsspiel stoßen würde. Und wenn nicht, so würde sie dies auch nicht sonderlich traurig machen – denn sie befürchtete, daß das Heilen eines zerbrochenen Herzens ein Geduldsspiel war, das zu lösen weder der Verstand noch die Zeit in der Lage waren.

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