Das Tor zur Hölle - Hellraiser
Arbeit geleistet.
Egal – wenn Rory zurückkam, würde sie ihn bitten, den Nägeln mit einer Zange zu Leibe zu rücken. Sie drehte dem Fenster den Rücken zu, und während sie das tat, wurde ihr plötzlich und eindringlich bewußt, daß die Glocke noch immer die Gläubigen herbeirief. Wollte heute abend denn niemand kommen? War der Köder all jener Versprechungen auf das Paradies nicht fett genug? Der Gedanke erblühte nur halb zum Leben in ihr, bevor er augenblicklich wieder verwelkte. Ihre schon jetzt vor Müdigkeit schmerzenden Glieder schienen mit jedem Schlag schwerer zu werden. Ihr Kopf war von einem unerträglichen Pochen erfüllt.
Das Zimmer ist abscheulich, entschied sie; es war stickig, und die vom Dunkel verhüllten Wände schienen klamm. Trotz seiner Größe würde sie sich auf keinen Fall von Rory überreden lassen, es als Schlafzimmer zu benutzen. Sollte es doch verrotten.
Sie wollte zur Tür hinübergehen, doch als sie noch ungefähr einen Meter davon entfernt war, schienen die Ecken des Zimmers zu knarren, und die Tür schlug mit einem Knall zu. Ihre Nerven waren aufs Äußerste gespannt. Nur mit großer Mühe konnte sie sich zurückhalten, nicht laut aufzuschreien.
Stattdessen sagte sie einfach: »Fahr zur Hölle« und griff nach der Klinke. Sie ließ sich leicht bewegen – warum sollte sie es auch nicht? Dennoch war sie erleichtert –, und die Tür öffnete sich. Vom Flur unten drang ein schmaler Streifen Wärme und ockerfarbenes Licht herein. Sie schloß die Tür hinter sich und drehte mit einer sonderbaren Befriedigung, deren Wurzeln sie nicht ausloten konnte oder wollte, den Schlüssel um. Als sie es tat, hörte die Glocke auf zu läuten.
»Aber es ist das größte Zimmer …«
»Ich mag es nicht, Rory. Es ist feucht. Wir können doch das hintere Zimmer nehmen.«
»Wenn wir das verdammte Bett durch die Tür bekommen.«
»Natürlich bekommen wir es durch. Du weißt, daß wir es durchbekommen.«
»Es scheint mir nur eine solche Verschwendung, ein so großes Zimmer ungenutzt zu lassen«, wandte er ein, obgleich er genau wußte, daß es bereits ein fait accompli war.
»Hör auf das, was Mutter sagt«, erklärte sie ihm und lächelte ihn mit Augen an, in deren Funkeln wahrlich nichts Mütterliches lag.
DREI
Die Jahreszeiten sehnen sich nacheinander, genau wie Männer und Frauen, um so vielleicht Heilung von ihren Exzessen zu finden.
Der Frühling beginnt – wenn er seine Zeitspanne um mehr als eine Woche überschritten hat – nach dem Sommer zu verlangen, damit jener den Tagen uneingelöster Verheißungen ein Ende bereitet. Der Sommer seinerseits verlangt schon bald schwitzend und dürstend nach etwas, das seine Hitze löscht; und der mildeste Herbst wird irgendwann der vornehmen Zurückhaltung müde und sehnt sich danach, mit schnellem, beißenden Frost seine eigene Unfruchtbarkeit zu töten.
Selbst der Winter – die härteste, die unversöhnlichste Jahreszeit – träumt, wenn der Februar naht, von der Flamme, die ihn schließlich wird dahinschmelzen lassen. Alles wird mit der Zeit müde und beginnt, nach einem Gegner zu suchen, der es vor sich selbst retten kann.
Und so wurde aus August September. Es gab kaum Beschwerden darüber.
Nach einigen Mühen begann das Haus an der Lodovico Street etwas gastfreundlicher auszusehen. Es kamen sogar Nachbarn zu Besuch, die – nachdem sie das Pärchen eingehend gemustert hatten – offen darüber sprachen, wie sehr es sie freute, daß die Nummer fünfundfünfzig wieder bewohnt wurde. Nur einer von ihnen erwähnte Frank, indem er beiläufig von dem sonderbaren Typen erzählte, der im vergangenen Sommer einige Wochen dort gelebt hatte.
Es folgte eine kurze, peinliche Szene, als Rory eröffnete, daß es sich bei dem Mieter um seinen Bruder handelte, doch Julia, deren Charme keine Grenzen kannte, brachte bald wieder alles ins rechte Lot.
Rory hatte Frank während der Jahre seiner Ehe mit Julia nur selten erwähnt, obwohl er und sein Bruder vom Alter her nur achtzehn Monate auseinander lagen und als Kinder unzertrennlich gewesen waren. Das hatte Julia in einem Augenblick betrunkener Erinnerungsseligkeit erfahren – ein oder zwei Monate vor der Hochzeit –, als Rory lange über Frank gesprochen hatte. Es war eine Unterhaltung mit wehmütigem Unterton gewesen. Die Brüder waren nach der gemeinsam verbrachten Jugendzeit völlig getrennte Wege gegangen, und Rory bereute das, bereute noch mehr den Schmerz, den Franks ungezügelter
Weitere Kostenlose Bücher