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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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wieder an die Oberfläche und hörte, daß er die Treppe heraufkam. Hektisch nach den Schlüsseln und einer Entschuldigung für ihre Anwesenheit hier oben suchend, stand sie auf, doch er war schon an der Tür, kam über die Schwelle, stürzte auf sie zu, die rechte Hand ungelenk um seine linke geklammert. Blut strömte, quoll zwischen seinen Fingern hervor und lief an seinem Arm hinunter, tropfte von seinem Ellbogen und klatschte auf die Dielenbretter.
    »Was hast du gemacht?« fragte sie ihn.
    »Wonach sieht es denn aus?« preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich hab' mich verletzt.«
    Sein Gesicht und sein Hals hatten die Farbe von Fensterkitt angenommen. Sie hatte ihn schon früher so gesehen, er war gelegentlich beim Anblick seines eigenen Blutes in Ohnmacht gefallen.
    »Mach doch etwas«, quiekte er.
    »Ist es tief?«
    »Ich weiß es nicht!« brüllte er sie an. »Ich kann nicht hinsehen.«
    Er benahm sich lächerlich, dachte sie bei sich, doch dies war nicht der Zeitpunkt der Verachtung, die sie empfand, freien Lauf zu lassen. Stattdessen nahm sie seine blutige Hand in die ihre und öffnete vorsichtig, während er nicht hinsah, die Handfläche, um sich die Schnittwunde anzusehen. Sie war von beachtlicher Größe und blutete noch immer stark. Herzblut; dunkelrotes Blut.
    »Ich denke, wir sollten dich lieber ins Krankenhaus bringen«, erklärte sie ihm.
    »Kannst du es nicht irgendwie verbinden?« fragte er, seine Stimme nun bar jeglicher Wut.
    »Sicher. Ich hole frisches Verbandszeug. Komm mit  …«
    »Nein«, sagte er und schüttelte aschfahl seinen Kopf. »Wenn ich einen Schritt mache, falle ich in Ohnmacht.«
    »Dann bleib hier«, beruhigte sie ihn. »Es wird dir schon nichts passieren.«
    Da sie im Badezimmerschrank kein Verbandszeug in ausreichender Größe für die Wunde fand, holte sie ein paar saubere Taschentücher aus seiner Schublade und lief zurück ins Zimmer. Er lehnte jetzt an der Wand, und seine Haut schimmerte schweißnaß. Offensichtlich war er in das Blut getreten, das er vergossen hatte; sie konnte den beißenden Blutgeruch in der Luft schmecken.
    Während sie ihm leise versicherte, daß er an einem fünf Zentimeter langen Schnitt nicht sterbet würde, wickelte sie ein Taschentuch um seine Hand, band noch ein zweites darum und führte ihn dann die Treppe hinunter – Stufe für Stufe wie ein kleines Kind – und hinaus zum Wagen. Er zitterte wie Espenlaub.
    Im Krankenhaus warteten sie eine Stunde lang in einer Schlange anderer Verletzten, bevor er schließlich zum Arzt vorgelassen und genäht wurde. Rückblickend fiel es ihr schwer zu sagen, was an der Episode komischer gewesen war: Seine Schwäche oder die Überschwenglichkeit seiner darauffolgenden Dankbarkeit. Als er zu sehr übertrieb, erklärte sie ihm, daß sie keinen Dank von ihm wolle, und das stimmte.
    Sie wollte nichts, was er ihr bieten konnte, mit Ausnahme seiner Abwesenheit vielleicht.
    »Du hast den Boden in dem feuchten Zimmer aufgewischt«, sagte sie am nächsten Tag zu ihm. Seit jenem ersten Sonntag nannten sie es das feuchte Zimmer, obwohl es von der Decke bis zur Fußleiste nicht eine einzige Spur von Schimmel gab.
    Rory schaute von seiner Zeitschrift auf. Graue Halbmonde lagen unter seinen Augen. Er hatte ziemlich schlecht geschlafen, hatte er gesagt. Ein Schnitt in der Hand, und schon hatte er Alpträume. Sie hingegen hatte wie ein Baby geschlummert.
    »Was hast du gesagt?« fragte er.
    »Der Boden …«, wiederholte sie. »Da war Blut auf dem Boden. Du hast es aufgewischt.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er schlicht und wandte sich wieder seiner Zeitschrift zu.
    »Nun, ich habe es auch nicht getan.«
    Er schenkte ihr ein väterliches Lächeln. »Du bist eine so perfekte Hausfrau«, sagte er, »du kannst dich doch nicht einmal daran erinnern, wenn du etwas saubergemacht hast.«
    Damit war das Thema abgeschlossen. Er war offensichtlich zufrieden damit zu glauben, daß sie langsam den Verstand verlor.
    Sie hingegen hatte das seltsame Gefühl, daß sie gerade im Begriff war, ihren Verstand wiederzufinden.

VIER
    Kirsty haßte Partys. Das Lächeln, das sie mühsam über ihre innere Panik kleben mußte; die Blicke, die es zu interpretieren galt; und, das Schlimmste von allem, die Unterhaltungen. Sie hatte nichts zu sagen, was von irgendeinem Interesse für die Welt war, davon hatte man sie schon vor langer Zeit überzeugt. Sie hatte zuviele Augen sich abwenden sehen, um das Gegenteil zu

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