Das Tor Zur Hölle
ausgeklügelter Bauart, daß ein Mensch sein halbes Leben daran herumspielen konnte, ohne je ins Innere vorzudringen.
Geschichten, Geschichten. Doch seit er soweit gekommen war, an nichts mehr zu glauben, war es nur noch ein kleiner Schritt, die Tyrannei der beweisbaren Wahrheit aus seinem Kopf zu verbannen. Und außerdem vertrieb es einem die Zeit, sich im betrunkenen Zustand derartigen Fantasien hinzugeben.
Es war in Düsseldorf, wohin er Heroin geschmuggelt hatte, wo er abermals auf die Geschichte von Lemarchands Würfel stieß. Seine Neugier wurde von neuem gereizt, und diesmal folgte er der Geschichte, bis er ihren Ursprung gefunden hatte. Der Name des Mannes war Kircher, obwohl er wahrscheinlich noch ein halbes Dutzend anderer Namen verwendete. Ja, der Deutsche konnte die Existenz des Würfels bestätigen; und, ja, er kannte einen Weg, wie Frank an diesen Würfel kommen könnte.
Der Preis? Ein kleiner Gefallen, hier und dort. Nichts Großartiges. Frank erfüllte ihm seine Wünsche, wusch seine Hände und nahm seine Bezahlung entgegen.
Kircher hatte ihm Anweisungen mit auf den Weg gegeben, wie er am besten das Geheimnis von Lemarchands Spieluhr würde lösen können; Anweisungen, die zum Teil pragmatisch, zum Teil metaphysisch waren. Die Lösung des Rätsels ist die Reise, hatte er gesagt — oder so etwas Ähnliches. Der Würfel, so schien es, war nicht nur die Karte des Wegs, sondern der Weg selbst.
Diese neue Sucht heilte ihn schon bald von Drogen und Alkohol. Vielleicht gab es andere Wege, die Welt so hinzubiegen, daß sie der Form seiner Träume entsprach.
Er kehrte zurück zu dem Haus an der Lodovico Street, in das leerstehende Haus, hinter dessen Mauern er nun gefangen war, und bereitete sich — genau wie Kircher es ihm erklärt hatte — auf die Herausforderung vor, Lemarchands Konfiguration zu lösen. Noch nie in seinem Leben war er so enthaltsam, so auf ein Ziel konzentriert gewesen. In den Tagen, bevor er sich an die Enträtselung des Würfels selbst machte, führte er ein Leben, das einen Heiligen beschämt hätte, konzentrierte er all seine Energien auf die vor ihm liegenden Zeremonien.
Doch war er in seinem Umgang mit dem Orden der Wunden sehr arrogant gewesen, das sah er nun ein; aber schließlich waren überall in der Welt und außerhalb von ihr — Mächte am Werk, die solche Arroganz ermutigten, weil sie Gewinn daraus zogen. Dies allein wäre noch nicht sein Untergang gewesen. Nein — sein wirklicher Fehler resultierte aus der naiven Annahme, daß seine
Vorstellung von Lust sich in großem Maße mit der der Zeniten überschnitt.
Wie sich herausstellte, hatten sie ihm nichts als unermeßliche Leiden gebracht. Sie hatten ihm eine Überdosis Sinnlichkeit verpaßt, so lange, bis sein Verstand am Rande des Wahnsinns schwankte; dann hatten sie ihn in Erfahrungswelten eingeführt, bei deren Erinnerung seine Nerven noch immer zusammenzuckten. Sie nannten es Vergnügen; und vielleicht meinten sie es auch so — vielleicht auch nicht. Es war unmöglich zu sagen, was in ihren Köpfen vorging; sie waren so hoffnungslos, so grenzenlos doppelsinnig. Sie erkannten die Regeln von Belohnung und Bestrafung nicht an, auf Grund derer er hätte hoffen können, einen Aufschub von ihrer Folter zu erlangen; ebensowenig, wie sie von irgendeinem Rehen um Gnade angerührt wurden. Er hatte es versucht, in den Wochen und Monaten, die dem Öffnen des Würfels gefolgt waren.
In dieser fremden Dimension war kein Mitleid zu erwarten; hier gab es nur Weinen — und Gelächter. Tränen der Freude manchmal (über eine Stunde ohne Angst; die Spannung eines Atemzugs lang); Gelächter, das paradox im Angesicht irgendeines neuerlichen Schreckens ausbrach, den der Initiator ersonnen hatte.
Es gab noch eine weitere Verfeinerung der Folter, erdacht von einem Gehirn, das in unübertrefflicher Weise die Natur des Leidens verstand. Die Gefangenen konnten in die Welt schauen, in der sie einst gelebt hatten. Ihre Aufenthaltsorte — wenn sie nicht gerade Lust ertrugen — gaben den Blick frei auf jene Örtlichkeiten, an denen sie einst die Konfiguration geöffnet hatten. Im Fall von Frank war es das obere Zimmer im Haus Nummer fünfundfünig, Lodovico Street.
Für den größten Teil eines Jahres war es ein deprimierender Ausblick gewesen: Nicht ein Mensch hatte das Haus betreten. Und dann waren sie gekommen: Rory und die liebliche Julia. Und von neuem war Hoffnung aufgeimt …
Es gab Fluchtwege, so hatte er gerüchteweise
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