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Das Tor Zur Hölle

Das Tor Zur Hölle

Titel: Das Tor Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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seine Augen an ihr. Sie trank gleichgültig weiter und versuchte, jegliches Anzeichen von Erregung zu verbergen. Und dann stand er unvermittelt auf und kam an ihren Tisch.
    »Sind Sie allein?« fragte er.
    Sie wollte davonlaufen. Ihr Herz hämmerte so laut, daß sie sicher war, daß er es hören konnte. Doch nein — er fragte sie, ob er ihr einen Drink bestellen dürfe, und sie sagte ja. Offensichtlich erfreut darüber, nicht abgewiesen worden zu sein, ging er zur Bar, bestellte zwei Doppelte und kehrte wieder zu ihr zurück. Er war rotgesichtig und eine Nummer größer als sein dunkelblauer Anzug. Nur seine Augen, die jeweils nur Bruchteile von Sekunden auf ihr ruhten, bevor sie wie erschreckte Fische wieder davonhuschten, verrieten seine Nervosität.
    Es würde keine ernsthafte Unterhaltung geben, das hatte sie schon entschieden. Sie wollte nicht viel über ihn wissen. Seinen Namen, wenn nötig. Seinen Beruf und seinen Familienstand, wenn er darauf bestand. Darüber hinaus brauchte er nur ein Körper zu sein.
    Wie es sich herausstellte, war er sowieso kein Schwätzer. Sie hatte Betonplatten gesehen, die gesprächiger waren. Gelegentlich lächelte er, ein kurzes, nervöses Lächeln, das Zähne entblößte, die viel zu regelmäßig waren, um echt zu sein — und offerierte weitere Drinks. Sie lehnte ab, denn sie wollte, daß die Jagd so schnell wie möglich vorüber war, und fragte statt dessen, ob er Zeit für einen Kaffee habe. Er sagte, er hätte.
    »Mein Haus ist nur ein paar Minuten von hier entfernt«, erwiderte sie, und sie gingen zu ihrem Wagen. Die ganze Fahrt über — mit dem Körper auf dem Sitz neben ihr — fragte sie sich, warum alles so glatt ging. Lag es daran, daß der Mann so offensichtlich ein Opfer war — mit seinen zwinkernden Augen und seinen falschen Zähnen einzig dazu tauglich, ihren Absichten zu dienen? Ja; vielleicht war es das. Sie hatte keine Angst, denn alles war so vollkommen vorhersehbar …
    Als sie den Schlüssel in der Vordertür umdrehte und ins Haus trat, vermeinte sie, ein Geräusch aus der Küche zu hören. War Rory früher nach Hause gekommen? Vielleicht krank? Sie rief. Es kam keine Antwort; das Haus war leer. Beinahe.
    Von der Türschwelle an hatte sie die Sache bis ins Kleinste geplant. Sie schloß die Tür. Der Mann in dem blauen Anzug starrte auf seine manikürten Hände und wartete auf seinen Einsatz.
    »Manchmal fühle ich mich einsam«, erklärte sie ihm, als sie sich an ihm vorbeischob. Dieser Satz war ihr letzte Nacht im Bett eingefallen.
    Er nickte nur als Antwort; der Ausdruck auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Furcht und Ungläubigkeit; er konnte sein Glück offenkundig gar nicht fassen.
    »Möchtest du einen Drink?« fragte sie ihn. »Oder wollen wir gleich nach oben gehen?«
    Abermals nickte er.
    »Ich denke, ich habe schon genug getrunken.«
    »Also nach oben.«
    Er machte eine unentschlossene Bewegung in ihre Richtung, als wolle er sie küssen, doch sie wich seiner Berührung aus und ging zur Treppe hinüber.
    »Ich gehe voran«, sagte sie. Er folgte ihr gehorsam.
    Oben auf der Treppe angekommen, warf sie ihm über die Schulter einen Blick zu und sah, wie er sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Kinn wischte. Sie wartete, bis er sie eingeholt hatte und führte ihn dann über den Flur zu dem feuchten Zimmer.
    Die Tür stand einen Spalt offen.
    »Komm rein«, sagte sie.
    Er gehorchte. Als er im Raum stand, brauchte er eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und noch einen weiteren Moment, um seine Beobachtung in Worte zu fassen: »Hier ist kein Bett.«
    Sie schloß die Tür und schaltete das Licht an. Einen von Rorys alten Sakkos hatte sie an die Innenseite der Tür gehängt. In die Tasche hatte sie ein Messer gesteckt.
    »… kein Bett«, wiederholte er.
    »Was hast du gegen den Fußboden?« erwiderte sie.
    »Den Boden?«
    »Zieh deine Jacke aus. Dir ist sicher zu warm.«
    »Stimmt«, bestätigte er, bewegte sich aber nicht, also kam sie zu ihm herüber und begann, seine Krawatte zu lockern. Er zitterte, das arme Lämmchen. Armes, sprachloses Lämmchen. Während sie ihm die Krawatte abnahm, begann er, sein Jackett abzustreifen.
    Sie fragte sich, ob Frank wohl zuschaute. Ihre Augen schweiften kurz zur Wand. Ja, dachte sie bei sich — er ist da. Er sieht es. Er weiß es. Er leckt sich die Lippen und wird ungeduldig.
    Das Lämmchen sprach: »Warum machst du …«, begann er, »warum machst du nicht … dasselbe?«
    »Du möchtest mich

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