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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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auszugeben, dann lernt man plötzlich, daß zwanzig Dollar gar nichts sind. Besonders noch, wenn man eine Reihe von hungrigen Tagen und bettlosen Nächten hinter sich hat. Ehe ich dazu kam, den Wert des Geldes zu schätzen, war es schon alle. Nur die Leute, die recht viel Geld haben, kennen den Wert des Geldes, weil sie Zeit haben, den Wert abzuschätzen. Wie kann man den Wert eines Dinges erkennen lernen, wenn es einem immer gleich wieder abgenommen wird? Gepredigt aber wird, daß nur der, der nichts hat, weiß, was ein Cent wert ist. Daher die Klassengegensätze.
     

7.
     
    Früher als ich geglaubt hatte, kam ein Morgen, der allem Anschein nach zu urteilen vorläufig der letzte Morgen sein würde, der mich in einem Bett sah. Ich suchte meine Taschen durch und fand, daß ich gerade noch genügend Cents hatte, um ein kurzgehaltenes Frühstück möglich zu machen. Kurzgehaltene Frühstücke finden nicht meinen Beifall. Sie sind immer das Vorspiel von Mittagessen und Abendmahlzeiten, die nicht erscheinen werden. Einen Fibby findet man auch nicht jeden Tag. Sollte ich aber wieder einen antreffen, dann erzähle ich diesmal meine Geschichte so komisch wie nur möglich, vielleicht weint er dann herzzerbrechend und bekommt die Gegenidee zu Fibbys Fünftausend-Dollar-Idee. Aus einer Idee läßt sich immer Geld herausquetschen, ob sie nun zum Weinen ist oder zum Lachen. Es gibt ebenso viele Menschen, die gern weinen und für die Möglichkeit, weinen zu können, ein paar Dollar bezahlen, wie es Menschen gibt, die lieber ihren Lachmuskeln ein Vergnügen gönnen.
    – – ein Vergnügen gönn –. Na, was ist denn das nun wieder? Kann man denn für seinen letzten Gulden Schlafgeld, den man bezahlt hat, nicht einmal in Ruhe im Bett noch ein wenig dösen, ehe man es für längere Zeit aufzugeben hat?
    »Lassen Sie mich schlafen, verflucht noch mal. Ich habe bezahlt, gestern abend, ehe ich ’raufging.« Da soll man nicht wütend werden. In einem fort wird an die Tür gebumst.
    Und gleich klopft es wieder.
    »Kreuzdonnerwetter noch mal, haben Sie nicht gehört, wegscheren sollen Sie sich! Ich will schlafen.« Wenn die nur die Tür aufmachen möchten, ich würde ihnen den Stiefel mitten in die Fratze feuern. So ein nichtswürdiges und impertinentes Gesindel.
    »Machen Sie auf. Polizei ist hier. Wir möchten Sie für einen Augenblick sprechen.«
    Ich zweifle ganz ernsthaft daran, daß es überhaupt auf der Welt noch Menschen gibt, die nicht Polizei sind. Die Polizei ist dafür da, um für Ruhe zu sorgen, und niemand macht mehr Ruhestörung, niemand belästigt die Menschen mehr, niemand bringt mehr Leute zum Wahnsinn als die Polizei. Ganz sicher, niemand hat mehr Unheil auf der Welt angestiftet als die Polizei, denn die Soldaten sind ja auch nur Polizisten.
    »Was wollen Sie denn von mir?«
    »Wir möchten Sie nur einmal sprechen.«
    »Das könnten Sie auch durch die Tür tun.«
    »Wir möchten Sie persönlich sehen. Machen Sie auf, oder wir brechen die Tür auf.«
    Brechen die Tür auf! Und die sollen gegen Einbrecher schützen.
    Gut, ich mache auf. Aber kaum habe ich die Tür auch nur einen Ritz auf, da preßt der eine Bursche schon seinen Fuß dazwischen. Der alte Trick, auf den sie sich immer wieder etwas einbilden. Das scheint der erste Trick zu sein, den sie zu lernen haben.
    Sie kommen ’rein. Zwei Mann in Zivilkleidung. Ich sitze auf dem Bettrand und fange an, mich anzuziehen.
    Mit Holländisch werde ich ganz gut fertig. Ich bin auf holländischen Schiffen gefahren und habe hier nun wieder etwas dazugelernt. Die beiden Vögel können aber auch etwas Englisch.
    »Sie sind Amerikaner?«
    »Ja, ich denke.«
    »Zeigen Sie Ihre Seemannskarte.«
    Die Seemannskarte scheint der Mittelpunkt des Universums zu sein. Ich bin sicher, der Krieg ist nur geführt worden, damit man in jedem Lande nach seiner Seemannskarte oder nach seinem Paß gefragt werden kann. Vor dem Kriege fragte niemand nach der Seemannskarte oder nach dem Paß, und die Menschen waren recht glücklich. Aber Kriege, die für die Freiheit, für die Unabhängigkeit und für die Demokratie geführt werden, sind immer verdächtig. Verdächtig seit jenem Tage, wo die Preußen ihre Freiheitskriege gegen Napoleon führten. Wenn Freiheitskriege gewonnen werden, dann sind die Menschen nach dem Kriege alle Freiheit los, weil der Krieg die Freiheit gewonnen hat. Yes, Sir.
    »Ich habe keine Seemannskarte.«
    »Sie ha-a-a-a-ben keine Seemannskarte?«
    Diesen entgeisterten Ton habe

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