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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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lebenslänglich.
    »Was machen Sie denn hier?« Zwei Männer kamen aus der Dunkelheit heraus und auf mich zu. Einer fragte mich das.
    »Ich gehe ein wenig spazieren. Ich kann nicht schlafen.«
    »Warum gehen Sie denn gerade hier auf der Grenze spazieren?«
    »Die Grenze habe ich nicht gesehen, es ist ja kein Zaun da.« Zwei grelle Taschenlampen waren auf mich gerichtet, und ich wurde durchsucht. Was die Menschen nur immer zu durchsuchen haben. Ich glaube, die suchen überall nach den verlorengegangenen vierzehn Punkten Wilsons. Ich habe sie jedenfalls nicht in der Tasche.
    Als sie nun nichts weiter fanden als die Butterbrote, die dreißig Franken und die Zigarren, blieb einer bei mir stehen, während der andre ein Stück des Weges, auf dem ich gekommen war, ableuchten ging. Wahrscheinlich hoffte er, dort den Weltfrieden zu finden, der in der ganzen Welt gesucht wird, seitdem unsre Jungens dafür gekämpft und geblutet haben, daß dieser Krieg der letzte Krieg sei.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Ich will zurück nach Rotterdam.«
    »Jetzt? Warum denn gerade um Mitternacht und gerade hier über die Wiese? Warum gehen Sie denn nicht auf der Straße?«
    Als ob man nicht nachts über eine Wiese gehen könnte! Die Leute haben merkwürdige Ansichten. Und immer haben sie gleich einen Verdacht, daß man irgendein Verbrechen begangen haben könnte. Ich erzählte nun, daß ich von Rotterdam käme und wie ich hierhergekommen sei. Da wurden sie aber wütend und sagten, ich solle sie nicht zum Narren halten, es sei ganz klar, daß ich von Belgien käme und mich nach Holland ’reinschleichen wolle. Als ich ihnen nun sagte, aber die dreißig Franken bewiesen doch, daß ich die Wahrheit gesagt hätte, wurden sie noch wütender und sagten, das sei eben gerade ein Beweis, daß ich sie anlügen wolle. Die Franken seien ein Beweis, daß ich von Belgien komme, denn in Holland habe man keine Franken. Nun gar noch zu sagen, daß mir holländische Beamte dieses Geld gegeben hätten und mich mitten in der Nacht auf ungesetzlichem Wege abgeschoben hätten, das zwänge sie, mich zu arretieren und mich unter Anklage der Beamtenbeschimpfung zu stellen. Sie wollten aber noch einmal Gnade mit mir haben, weil ich offenbar ein armer Schlucker sei, der nicht die Absicht gehabt habe, zu schmugeln, und würden mich auf den richtigen Weg führen, auf den ich wieder zurück nach Antwerpen kommen könne.
    So gut waren diese Leute zu mir.
    Jetzt mußte ich doch nach Belgien gehen, da half nichts. Wenn nur das Lebenslänglich nicht wäre.
    Eine Stunde wanderte ich nun in der Richtung nach Belgien.
    Ich wurde müde und stolperte vor mich hin. Am liebsten hätte ich mich hier hingelegt und geschlafen. Ich hielt es aber doch für besser, weiterzugehen, um aus dem gefährlichen Bereich, wo geschossen werden darf auf den, der nicht schießen darf, herauszukommen.
    Da plötzlich packt mich etwas am Bein. Ich denke, es ist ein Hund. Als ich aber zufasse, ist es eine Hand. Und da flammt auch schon eine Taschenlaterne auf. Dieses Ding ist auch eine Erfindung des Satans, man sieht sie immer erst, wenn sie einem dicht vor Augen ist.
    Zwei Mann stehen jetzt auf. Sie haben da in der Wiese gelegen, und ich bin ihnen so schön richtig mitten in die Arme gelaufen.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Nach Antwerpen.«
    Sie sprechen Holländisch oder mehr Flämisch.
    »Nach Antwerpen wollen Sie? Jetzt zur Nachtzeit? Warum gehen Sie denn nicht auf der ordentlichen Straße, wie es anständigen Menschen gebührt?«
    Ich erzähle ihnen nun, daß ich nicht aus freiem Willen käme, und sage ihnen, wie es zugegangen sei, daß ich mich hier herumzudrücken habe.
    »Solchen Schwindel können Sie andern erzählen. Nicht uns. So etwas tun Beamte nicht. Sie haben da in Holland etwas ausgefressen und wollen nun hier ’rüber. Aber das gibt es nicht. Wollen wir erst einmal die Taschen durchsuchen, um zu erfahren, warum Sie hier mitten in der Nacht über die Wiesen gehen und immer auf der Grenze.« Sie fanden in meinen Taschen und zwischen den Nähten meiner Sachen nicht, was sie suchten. Ich wollte gern wissen, was die Leute eigentlich immer suchen und warum sie einem immer die Taschen durchwühlen müssen. Eine üble Angewohnheit dieser Leute.
    »Wir wissen schon, was wir suchen. Da brauchen Sie sich gar keine Sorge machen.«
    Nun bin ich auch nicht klüger. Aber finden tun sie nichts. Ich bin überzeugt, daß es bis an das Weltende eine Hälfte Menschen geben wird, die immer die Taschen

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