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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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auf der großen Bühne (»winzig klein«, sagte mein Mann, der unten im Parkett den Atem anhielt), ohne mir dessen bewußt zu sein, bis fast an die Rampe trat, vor mir der schwarze Schlund des Zuschauerraums, in dem nur ein paar helle Tupfen mit auf mich gerichteten Augen aufleuchteten – da ergriff mich eine bislang ungekannte Erregung. Ich vergaß meine nächtlichen Stilübungen, wollte den Menschen vor mir mein Herz ausschütten, wollte ihre Herzen bewegen, wollte für die Toten, für die verzweifelten Mütter und ihre jammernden verschleppten Kinder sprechen. Wollte aufrütteln, mitreißen, wollte, weil Ungeheuerliches geschehen war, daß etwas Gutes, etwas Menschliches dagegen geschieht.
    Es war ganz still in dem großen Saal, als ich endete. Es dauerte einen Atemzug lang, ehe der Beifall losbrach.
    Als ich nun wieder in dem Palacio stand, nach all den Jahren, in denen noch so viel Ungeheuerliches passiert war, konnte ich nur noch schmerzlich daran denken, daß ich in eben diesem Haus wirklich daran geglaubt habe, Ideale könnten verwirklicht werden, wenn jeder, der für sie eintritt, weil er von ihrer Richtigkeit und Notwendigkeit überzeugt ist, sein Stückchen Erkenntnis, sein Körnchen Weisheit dazu beiträgt. Jetzt wußte ich schon, daß alles ganz anders ist.
    Ein komfortabler Autocar brachte uns eines Morgens zu den Pyramiden von Tepotitzlán. Wie wir vor Jahren hierher gekommen waren, hielt mein Gedächtnis nicht mehr fest, ein komfortabler Autocar war es jedoch zweifellos nicht gewesen, viel eher einer der klapprigen, an jeder Straßenecke (»Esqunia, por favor!«) und bei jedergrößeren Agave haltmachenden, vollgepferchten Autobusse. Die zahlreichen Kioske mit Silber- und Lederwaren, amerikanischem Knabberzeug und Getränken waren damals bestimmt auch noch nicht da.
    Wir stiegen aus, und ich fühlte geradezu physisch, wie ich mich im Nu aus einem gaffenden Touristen in einen respektvollen Besucher verwandelte. Was haben doch die Menschen lange, lange vor uns für wunderbare Dinge und Kunstwerke geschaffen! Langsam erklomm ich die dominierende Pyramide, überblickte von oben das weite Gelände mit den vielfältigen, ständig fortgesetzten Ausgrabungen, den wuchtigen Steinblöcken mit symbolträchtigen Verzierungen, tierischen und menschlichen Figuren – und konnte mit einem Mal verstehen, daß der Herrscher, der von hier aus, prächtig gekleidet und geschmückt, auf seine Untergebenen hinabblickte, ringsum die unenträtselbare, für ihn jedoch vielleicht lesbare Vulkanlandschaft, daß dieser Fürst glaubte, ein Halbgott zu sein, und sich als solcher auch verehren ließ.
    Auf dem Weg zu den Pyramiden und dann wieder bei der Rückfahrt sah ich, was einem im Inneren der Hauptstadt verborgen bleibt, die sich in den letzten Jahren unaufhaltsam ausbreitenden Colonias Populares, wie die Armenviertel am Rande der Metropole nichtssagend genannt werden. Gleich einer nicht einzudämmenden Flechte bedecken die armseligen Häuschen die Hänge der ruhenden Vulkane, bis die ein nächstes Mal wieder Feuer und Tod speien. Jemand erklärte mir sehr sachlich, in den Colonias sei elektrischer Strom eingeführt, wer jedoch keine Zisterne auf dem Dach habe, müßte leider Wasser in Eimern und Krügen vom Flachland bis hinauf schleppen.
    Die tschechoslowakische Botschaft, in der ich vor einem halben Jahrhundert tätig war, befand sich in einer kleinen, aber recht hübschen Villa in einem gleichfalls bescheidenen, aber gepflegten Garten. Auf der gegenüberliegenden Seite der stillen Straße gab es zwischen einer weißen und einer zitronengelben Residenz eine Baulücke. Als ich an einem Morgen aus dem Fenster meines Arbeitsraums über die Rosenbeete hinweg schaute, gewahre ich dort reges Treiben. Männer, Frauen und Kinder schleppten allerlei Baumaterial (Ziegel, Pappkartons, flach geklopfte Metallfässer) herbei, schichteten es auf und bezogen schon am Nachmittag ihr neues Zuhause. Im Laufe der nächsten Tage wurde die Indio-Familie, die da zwischen den komfortablen Häusern lebte, immer zahlreicher, die Frauen hockten auf der Straße und buken Tortillas, deren unverkennbarer Duft zu mir herüberwehte. Niemand in der eleganten Straße protestierte gegen die Zuwanderer, niemand kümmerte sich freilich auch darum, wie sie mit Kind und Kegel in dem elenden Kartenhaus mit freiem Einlaß für Ungeziefer und die räuberischen hungernden Ratten und ohne jegliche sanitäre Anlagen zurechtkamen.
    Auch das ist jetzt also anders. Die

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