Das Traumtor (German Edition)
Das Traumtor I
Von Gabriel Galen
Vorwort
Eines Abends klingelte es an meiner Tür. Ich ging öffnen, und zu meiner Überraschung stand dort eine Kollegin, die ich vor Jahren auf der Buchmesse kennengelernt hatte. Wie ich hatte sie sich der Fantasy-Literatur verschrieben, und aufgrund der gemeinsamen Interessen waren wir gute Freunde geworden.
Aber ich erschrak, als ich sie nun vor mir stehen sah. Ihr Gesicht war bleich und ab-gezehrt, das sonst so gepflegte Haar stumpf und nachlässig mit einer Spange zu-sammeln gerafft. Ihre Kleidung sah aus, als habe sie völlig wahllos irgendetwas aus dem Schrank gegriffen. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, und sie wirkte ver.-stört und abwesend.
„Um Gottes willen, was ist geschehen?“ fragte ich und zog sie ins Haus. Fast willen-los folgte sie mir, ohne ein Wort zu sagen. Ich drückte sie in meinen Sessel, ging zum Schrank und goß ein Glas Cognac ein, das ich ihr die Hand drückte. Ich setzte mich ihr gegenüber und sagte: „Erzähle!“
Eine Weile saß sie nur stumm da und starrte in das Glas, ohne zu trinken. Dann nippte sie an dem Alkohol, und es schien, als kehre sie langsam in die Gegenwart zurück. Nach einem tiefen Atemzug begann sie zu erzählen.
„Mir ist etwas widerfahren, was ich nie für möglich gehalten hätte und auch jetzt noch kaum glauben kann. Aber ich kann es nicht niederschreiben, denn es würde mich in den Wahnsinn treiben. Aber ich muß das Erlebte irgendwie loswerden, sonst ersticke ich daran. Ich bitte dich daher als Freund, mir ein wenig deiner Zeit zu schenken und mir zuzuhören.“
Und sie begann, mir die nachfolgende Geschichte zu erzählen. Zum Glück hatte das Mikrofon meines kurz vorher benutzen Sprachprogramms über dem Sessel gehangen, sodaß ich ihre Geschichte hier wortgetreu wiedergeben kann.
Kapitel 1
Die halbe Nacht hatte ich wieder einmal an meinem Schreibtisch verbracht. Doch die Geschichte floß mir so gut aus dem Stift, daß ich nicht aufhören mochte, ehe ich sie nicht zum Schluß gebracht hatte.
So war es bereits drei Uhr morgens, als ich mit schwungvollen Buchstaben das Wort „Ende“ darunter setzte. Befriedigt las ich die letzten Zeilen noch einmal durch und war wieder einmal rund herum zufrieden.
Das war mal wieder eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack geworden. Natürlich hatte es ein Happy End gegeben, denn schöne Geschichten müssen so enden. Nichts hasse ich mehr als Geschichten, die traurig ausgehen, denn davon gibt es schließlich im wahren Leben genug. Stolz und mit einer tiefen Befriedigung richtete ich mich auf, streckte mich und rieb mir die müden Augen. So, nun hatte ich mir mein weiches Bett verdient!
Doch plötzlich stutzte ich. Die Schreibtischlampe beleuchtete nur einen kleinen Kreis, und ich glaubte, im dunklen Teil des Zimmers neben der Tür, die zum Garten führte, den Schatten eines Mannes zu sehen. Ein nicht geringer Schreck durchfuhr mich, denn ich war allein im Haus.
„Wer ist da?“ fragte ich und versuchte, meiner Stimme einen festen Klang zu geben, obwohl mir weiß Gott nicht so zumute war. Da ich keine Antwort erhielt, stand ich langsam auf und tastete mit dem Fuß nach dem Schalter der Stehlampe. Einen Druck, und der Raum war ihnen das weiche, dämmrige Licht getaucht, das ich so sehr liebe. Und nun sah ich, daß tatsächlich jemand neben der Tür stand. Aber meine Übermüdung oder der starke Kaffee, den ich noch spät getrunken hatte, mußten meiner angeregten Phantasie wohl einen Streich spielen, denn ich konnte nicht glauben, was ich sah.
Der Mann, der dort in so selbstbewusster Haltung am Türrahmen lehnte, konnte wohl kaum ein Einbrecher sein. Seine große, schlanke Gestalt war in ein ledernes Wams gehüllt, das mit kleinen Metallplättchen wie mit Fischschuppen benäht war. Ein weiter Umhang war an seinen Schultern befestigt, die langen Beine steckten in engen Hosen, die über dem Knie in weichen, eng anliegenden Stiefeln verschwanden. Ein langes Schwert hing von seiner Hüfte, und aus seinem Gürtel schaute der Griff eines Dolches.
Verblüfft rieb ich mir die Augen, doch die Erscheinung verschwand nicht, sondern schaute mich nur ernst und abwartend an.
„Wer seid Ihr?“ fragte ich, wie selbstverständlich in die Sprache meiner Bücher verfallend.
Die Gestalt löste sich vom Türrahmen und kam einen Schritt auf mich zu. Seltsamer-weise war meine Angst verflogen, obwohl der Mann nicht gerade ungefährlich aus-sah.
„Wer ich
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