Das Traumtor (German Edition)
erschaffen hatte.
Nur noch eine Frage beschäftigte mich: Ich war nun in dieser Welt, war ein Teil von ihr geworden – Würde sie jetzt noch der Gewalt meiner Gedanken unterworfen sein, oder würde ich mich selbst nun den Gesetzen anpassen müssen, die ich für sie einst aufgestellt hatte? Ich war fast sicher, daß das Zweite der Fall war, denn sonst hätte ich ja mit Leichtigkeit den anstrengenden Ritt nach Torlond verkürzen können. So aber merkte ich, daß mir nichts anderes übrigblieb, als meine empfindlich gewordene Kehrseite auch noch das letzte Stück bis zur Stadt im Sattel zu belassen, wenn ich nicht stolz zu Fuß in Torlond einziehen wollte. Doch endlich ritten wir durch das Stadttor, das weit offen stand. Es mochte nach dem Stand der Sonne vielleicht sechs Uhr morgens sein, obwohl es nach meinem Zeitempfinden weitaus später sein mußte, denn ich war sicher, daß wir mehr als drei Stunden unterwegs gewesen waren. Doch mit meinem Hausanzug war auch meine Uhr verschwunden, sodaß ich die Zeit nur schätzen konnte.
Trotz der frühen Morgenstunde waren schon viele Leute auf den Straßen, die Targil ehrfürchtig grüßten, mir aber nur neugierige Blicke zuwarfen. Niemand von den Bewohnern Torlonds schien zu wissen, wer ich war. Doch das verwunderte mich nicht. Hatte ich diese Stadt in meinem Buch doch nur am Rande erwähnt und mir von ihr und ihren Bewohnern nie eine klare Vorstellung gemacht. So betrachtete ich denn nun auch mit viel Interesse das fremdartige Aussehen der Menschen und den ungewohnten Baustil der Häuser auf unserem Weg zum Palast des regierenden Fürsten der Region, von dem aus der König von Valamin nach Targils Worten über das Land herrschte, bis die Hauptstadt wieder aufgebaut war.
Ich hatte Varnhag einem Überfall der feindlichen Kawaren zum Opfer fallen lassen, und langsam beschlich mich ein Schuldgefühl, als mir klar wurde, was ich damit an-gerichtet hatte. Und auf einmal war mir gar nicht mehr wohl in meiner Haut. Was hatte ich meine Helden nicht alles ausstehen lassen, bis ich ihnen endlich gestattet hatte, in Glück und Frieden zu leben! Mußten sie mich nicht eigentlich dafür hassen? Doch zumindest Targil schien mir mit herzlicher Freundschaft zugetan, als wäre ihm gar nicht bewußt, daß ich ja die Ursache seiner Leiden gewesen war. Wie aber mochten Deina und Rowin reagieren?
Und auf einmal hatte ich es gar nicht mehr so eilig, die beiden zu sehen. Doch da hielten wir auch schon vor dem Palast. Zwei Wachen sprangen zu und nahmen die Pferde entgegen.
„Folgt mir bitte, Athama!“ sagte Targil. „Rowin erwartet uns in den Gemächern, die er für Euch bestimmt hat.“
Er führte mich durch die hallenden Gänge über eine breite Treppe ins erste Stockwerk des Gebäudes. Staunend betrachtete ich die Schönheit dieses Palastes und bewunderte die Kunstfertigkeit des Volkes, das meiner Phantasie entsprungen war. Targil eröffnete eine breite Flügeltür.
„Tritt ein, Herrin!“ sagte er.
Und dann stand ich den beiden gegenüber: Rowin, dem Herrn von Valamin, und Deina, seiner Schwester!
Beim Anblick Rowins durchfuhr mich eine heiße Woge. ‚Was für ein Mann!!‘ dachte ich unwillkürlich, obwohl ich doch genau wissen mußte, wie er aussah: groß und breitschultrig, mit dunklem, lockigem Haar und meergrünen Augen. Doch nun, wo ich ihm gegenüber stand, wurde mir erst bewußt, daß ich in ihm genau den Typ Mann beschrieben hatte, der meinem Ideal entsprach. Deina sah ihrem Bruder vom Gesicht sehr ähnlich, doch ihr Haar war blond und sie hatte blaue Augen wie Targil. Sie war ein schönes Mädchen, und ich gratulierte Targil im Stillen zu ihr. Da schritt Rowin auf mich zu. Auf seinem schönen, männlichen Gesicht lag ein Ausdruck der Freude, als er nun ein Knie vor mir beugte und mir die Hand küsste.
„Seid willkommen, Athama!“ sagte er, und beim Klang seiner volltönenden Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken. „Wie gern bin ich Eurem Wunsch gefolgt, denn Ihr sollt wissen, daß es uns eine große Ehre ist, Euch in unserer Mitte zu sehen. Ich lege Euch mein Leben und ganz Valamin zu Füßen, denn wir verdanken Euch unsere Freiheit.“
Verwirrt, beschämt und voller Verlegenheit bat ich ihn aufzustehen.
„Es ist nicht recht, daß du mir dankst, Rowin“, sagte ich, „Denn schließlich habe ich euch nur aus dem herausgeholt, was ich euch eingebrockt hatte. Wenn ich daran denke, was ich besonders Deina und Targil ausstehen ließ, bringe ich es kaum
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