Das Traumtor (German Edition)
ob bei uns die Sonne nicht anders läuft als bei euch?“
Ich konnte es zwar immer noch nicht fassen, aber Deinas Worte hatten eine gewisse Hoffnung in mir erweckt. Wenn hier die Zeit wirklich anders lief, konnte es sein, daß ich vielleicht nur wenige Monate von meiner Welt fort war, selbst wenn ich wohlmöglich Jahre hier verbringen musste. Da tat sich ein völlig neuer Aspekt auf. Dieser Gedanke hatte mich ein wenig beruhigt, und als wir eine Weile später in einem kleinen Pavillon im Park des Palastes saßen, entwickelte ich den dreien meine Idee:
„Wenn ihr mir helfen wollt“, sagte ich, „so würde ich gern heute Nacht zur selben Zeit aufbrechen wie Targil gestern und denselben Weg reiten. Vielleicht gelange ich dann ganz von selbst an das Tor. Da hier die Zeit anders zu laufen scheint, bin ich vielleicht zurück, ehe mich daheim jemand vermisst.“
„Gut, wir werden mit dir reiten“, sagte Rowin, doch in seinen Augen lag ein Aus-druck, den ich mir nicht deuten konnte. „Vielleicht erfüllen die Götter dir deinem Wunsch, und es kommt genauso, wie du es dir vorstellst.“
Die Hoffnung, daß mein Abenteuer so glimpflich ablaufen könnte, hatte meine Stimmung mächtig Auftrieb gegeben, und bald schon war ich in eine muntere Unterhaltung mit diesen drei lieben Menschen verwickelt. Ich hatte so viele Fragen, wollte so vieles wissen, daß sie kaum mit den Antworten nachkamen. Dabei bemerkte ich gar nicht, daß sie sie mir nur wenige Fragen stellten, die aber immer nur meine Person, jedoch nie die Welt betrafen, aus der ich kam. Und ich bemerkte nicht, daß es seltsamer Weise Rowin war, der kaum sprach, nicht Targil, dessen Charakteranlage das viel eher hätte vermuten lassen.
Gegen Mittag nahmen wir unser Mal im Freien ein, denn es war warm, und der Park mit seinen schönen, alten Bäumen und den gepflegten Blumenrabatten war ein an-genehmer Aufenthaltsort. Nach dem Essen kam ein Bote, der Rowin Nachricht über den Wiederaufbau Varnhags und einer weiteren Stadt brachte. So verließ uns der König für eine Weile, um dringenden Staatsgeschäften nachzugehen.
Targil, Deina und ich machten einen Spaziergang durch den weitläufigen Park, und ich war begeistert von dessen Schönheit.
„Dieser Park ist klein und bescheiden“, erklärte mir Deina. „Du hättest den sehen sollen, der das Schloss in Varnhag umgibt. Die Kawaren haben vieles zerstört, doch bald wird er wieder so sein, wie er vorher war. Und dann werden wir nach Varnhag zurückkehren, sobald auch das Schloss wieder hergerichtet ist. Es wurde schon viel geschafft seit jener verhängnisvollen Nacht, als die Kawaren Varnhag niederbrannten. Schon leben wieder viele Menschen dort, und bald wird die Stadt wieder mit geschäftigem Leben erfüllt sein.
„Es ist wirklich schade, daß ich nicht nach Varnhag gehen kann!“ seufzte ich. „Ich hätte es so gern gesehen.“
Am späten Nachmittag kam Rowin zurück. Als er über den Rasen auf den Pavillon zu schritt, machte mein Herz einige schnellere Schläge, und wiederum fuhr es durch mich hindurch: ‚Was für einen Mann!‘ Die eng anliegende Kleidung der Männer von Valamin brachte seinen prachtvollen Körper wunderbar zur Geltung, und seiner Haltung war von einer unbewussten Hoheit und selbstbewußten Ungezwungenheit. Um seinen schön geschwungenen Mund mit den vollen Lippen spielte ein Lächeln, als er nun sagte:
„Ich habe gute Neuigkeiten! Die Arbeiten ihn Varnhag gehen schnell voran, und wir werden noch vor dem Winter dorthin zurückkehren können. In etwa zwei bis drei Monaten wird der Hof voran reisen und wir werden folgen, sobald ich hier alles geregelt habe.“ Er nahm meine Hand und küsste sie. „Schade, Athama, daß du so bald wieder in deiner Heimat zurückkehren willst. Ich hätte dir so gern die Stadt meiner Väter gezeigt!“
„Ach, Rowin, es gibt so vieles hier, was ich sehen und erfahren möchte, daß ein Jahr dafür nicht ausreichen würde!“ seufzte ich. „Doch du mußt verstehen, daß ich nichts unversucht lassen kann, um in meine Welt zurückzukehren, bevor sich vielleicht das Tor für alle Zeiten schließt und ich hier für immer gefangen bin.“
„Wir würden dafür sorgen, daß du die glücklichste Gefangene wärest, die es je in Valamin gegeben hat“, antwortete Rowin leise. „Und vielleicht würdest du sogar mit der Zeit vergessen, daß es etwas anderes gibt als diese unsere Welt.“
„Das mag wohl sein“, gab ich zu, und irgendwie stieg in meinem Herzen ein
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