Das Ultimatum - Thriller
Vater tot war. Es würde eine herbe Unterredung werden, besonders nach allem, was Arley durchgemacht hatte. Doch es waren gute, tapfere Kinder, und es gab eine Familie, die sich um sie kümmern würde. Und im Unterschied zu den Opfern des heutigen Tages hatten sie ihre Zukunft noch vor sich.
Tina zündete sich eine weitere Zigarette an, schlug den Kragen hoch und ging langsam ein Stück die Straße entlang. Als sie aufgeraucht hatte, machte sie den Anruf.
Dann ging sie langsam zurück, setzte sich auf die Treppe und wartete.
Sechzehn Tage später
95
Obwohl es wie seit Tagen unablässig regnete, war es für Dezember ein milder Nachmittag, allerdings war es fast schon dunkel, als die Trauergäste die alte Kirche verließen. Hinter der Friedhofsmauer hielt ein durchnässtes Kamerateam die Stellung, der einzige Hinweis darauf, dass die Beisetzung von Martin Geoffrey Dalston kein gewöhnliches Ereignis war. Dalston war nicht das erste Opfer des Terroranschlags auf das Stanhope Hotel, das beerdigt wurde, aber es ging das Gerücht um, dass er posthum für die Tapferkeitsmedaille vorgeschlagen worden war, was die Präsenz des Kamerateams erklärte.
Scope hatte sich im Hintergrund der Kirche gehalten, außer Sichtweite der Trauernden, und war deshalb einer der Ersten, die die Kirche verließen. Er trug eine Wollmütze und hatte sich einen Schal halb über das Gesicht geschlungen, damit ihn niemand erkannte. Nur der Gehstock, den er dank der Kugel in seiner Arschbacke benutzen musste, hätte ihn verraten können. Während der Woche im Krankenhaus hatten Polizei und Pflegepersonal mit vereinten Kräften die Pressemeute zurückgedrängt, doch seitdem versuchten alle, ihn zu einer Stellungnahme zu bewegen. Der Bursche, der die Terroristen ausgeschaltet und Dutzende von Leben gerettet hatte. Sie hatten sein Leben durchleuchtet und seine Vergangenheit aufgewühlt. Seine achtzehn Jahre beim Militär, jeweils zwei Einsätze im Irak und in Afghanistan, Vater mit neunzehn, Heirat mit seiner Jugendliebe, dann die Affären, die schmutzige Scheidung und – besonders das verletzte ihn – der tragische Tod seiner Tochter.
Das hasste Scope am meisten. Dass sie das, was seiner Mary Ann zugestoßen war, zur Unterhaltung des Pöbels aufbereiteten. Er wollte nicht, dass irgendjemand etwas darüber erfuhr. Es ging sie nichts an, unter gar keinen Umständen. Allerdings wunderte es ihn, dass die Medien nicht tiefer gegraben und nachgeforscht hatten, was nach ihrem Tod geschehen war. Hätten sie es getan, wären sie auf eine explosive Story gestoßen, die noch den abgebrühtesten Leser zufriedengestellt hätte. Vielleicht würden sie es ja eines Tages herausfinden. Und ihn dafür ans Kreuz nageln. Aber das interessierte ihn im Moment nicht. Er hatte getan, was er hatte tun müssen.
Sein Wagen stand zweihundert Meter weit weg, und da er bisher nicht richtig gelernt hatte, mit den Stahlschrauben in seinem Bein zu gehen, war es eine lange, beschwerliche Strecke. Als andere Trauergäste an ihm vorbeidrängten, senkte er den Kopf und war erleichtert, dass das Kamerateam ihn übersehen hatte.
Obwohl er nicht angenommen hatte, dass Abby und Ethan zu der Beisetzung kommen würden, hatte er in der Kirche Ausschau nach ihnen gehalten. Vergeblich. Aber obwohl er Ethan gerne noch einmal gesehen hätte, war es so wohl am besten. Sie hatten ihm einen Brief mit einer Karte ins Krankenhaus geschickt, in der sie ihm für alles dankten. Sie war in Florida abgestempelt, und Ethan hatte eine Zeichnung beigelegt, die Scope als Superhelden zeigte, mit Riesenbizeps, einem schlecht sitzenden Anzug und einer gewaltigen Pistole. Scope hatte die Karte auf seinen Nachttisch gestellt und bei seiner Entlassung in seinen Koffer gesteckt.
Als er seinen Wagen erreicht hatte und nach den Schlüsseln kramte, tippte ihm jemand auf die Schulter. Er drehte sich um und erkannte die blonde Hotelmanagerin; Elena Serenko, wie er später herausgefunden hatte. Sie trug ein schwarzes Kleid unter ihrem langen dunklen Regenmantel und ein schwarzes Kopftuch, sodass sie Scope an die junge Bette Davis erinnerte.
»Hallo«, begrüßte sie ihn mit einem schüchternen Lächeln. »Ich dachte, ich hätte Sie in der Kirche bemerkt.«
»Ich habe versucht, nicht aufzufallen. Hat wohl nicht funktioniert.«
»Tja, mit dem Stock und so. Was machen Ihre Verletzungen?«
»Langsam geht’s wieder. Ich hatte verdammt viel Glück. Zwei Treffer und keine inneren Verletzungen. Aber den hier werde ich
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