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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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angeboten wurden. Diese waren nahezu endlos haltbar, dadurch aber auch arm an Geschmack und Nährstoffen. Trotzdem waren sie ein enormer Luxus. Etwas, das richtigem Essen am nächsten kam, wenn man die sonst üblichen Nahrungsmittel bedachte, die aus reiner Chemie bestanden. Seru bot hochrangigen Besuchern gerne davon an, um den Eindruck von einem Wohlstand zu vermitteln, den das Kloster nicht besaß.
    Dass Atlan den Meister kein Wort hatte sprechen hören, konnte nur bedeuten, dass dieser Gast nicht zum ersten Mal durch diese Gänge geführt wurde.
    Er hörte eine Tür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. Vorsichtig schob er den Kopf aus seinem Versteck und sah, dass der Gang leer war. Sofort sprang er unter dem Tisch hervor und wandte sich in Richtung der Schlafräume. Nichts auf der Welt hätte ihn nach diesem Schreck noch zu Ramin gebracht. Er wollte nur noch in die Sicherheit seiner eigenen Kammer, in der ihm keine Vergehen vorgeworfen werden konnten.
    Atlan eilte den Gang hinab, blieb jedoch auf halbem Weg abrupt stehen. Aus einem der angrenzenden Räume drangen gedämpfte Stimmen. Das musste die Tür gewesen sein, durch die Seru und sein Gast verschwunden waren.
    Er hatte nicht vor zu lauschen, und er wäre auch niemals auf diesen Gedanken gekommen, hätte er nicht in der zweiten Stimme das Kratzen des Verhüllten erkannt. Und da die beiden derart laut aufeinander einredeten, brauchte er sich nicht einmal anzustrengen, um jedes Wort verstehen zu können.
    „Denkst du wirklich, du könntest uns von eurem Abfall leben lassen und dann so eine Forderung stellen?“
    Das Knurren des Verhüllten war so tief, dass es Atlans Zwerchfell selbst durch die Tür hindurch zum Vibrieren brachte. Bisher war er davon überzeugt gewesen, dass Seru und der Fremde sich um nichts nachstanden, was es um das Verbreiten von Entsetzen anging. Dieser eine Satz ließ ihn seine Einschätzung jedoch zu Gunsten des Verhüllten korrigieren. Sogar die Stimme des Meisters klang trotz des aggressiven Tonfalls respektvoller, als Atlan sie jemals gehört hatte.
    „Abfälle? Das ist ja wohl die Höhe! Wir geben euch nichts anderes, als wir selbst nutzen, und das zu einem Preis, der weit unter unseren eigenen Kosten liegt!“
    Wie der Verhüllte darauf reagierte, konnte Atlan nur raten. Zu hören war nichts, bis auf ein erschrockenes Luftschnappen, das er Seru zuschrieb.
    Einige Sekunden verstrichen stumm, dann kam erneut die Stimme des Meisters: „Gut, was also verlangst du dafür?“
    „Medikamente“, kam die Antwort.
    „Medikamente?“
    „Antibiotika, Schmerzmittel, Verbandsmaterial. Skalpelle, Spritzen, Nadeln und Fäden, wenn wir schon dabei sind.“
    „Wie stellst du dir das vor! Denkst du, ich kann einfach in den nächsten Laden gehen und diese Sachen dort in Massen kaufen? Wie soll ich das rechtfertigen? Wir sind ein Kloster, kein Krankenhaus!“
    „Was kümmert es mich, wie du es beschaffst? Du willst, dass wir in das N4-Center einbrechen. Hast du dich etwa gefragt, wie uns das gelingen soll? Meine Leute sterben, Seru. Und ich werde dabei nicht tatenlos zusehen.“
    Atlan konnte ein Geräusch hören, das klang, als würde Fleisch auf festeres, unnachgiebigeres Material treffen. Vielleicht eine Faust, die gegen die Wand schlug. Dann folgte erneut das heisere Kratzen des Verhüllten.
    „Und noch weniger werde ich den Tod meiner Leute riskieren, nur weil du um deine Reputation fürchtest. Nicht, ohne damit anderen das Überleben sichern zu können.“
    Eine Weile lang war nichts weiter zu hören. Atlan lehnte nun doch ein Ohr an die Tür und schaffte es so, die nächsten Worte des Meisters zu verstehen, so leise sie auch gesprochen wurden.
    „Gut, ich werde sehen, was ich tun kann. Aber ich verspreche keine Wunder.“
    Ein röchelndes Geräusch war zu hören, das Atlan erst, nachdem es bereits abgeklungen war, als Lachen identifizieren konnte.
    „Oh nein, verschone mich mit Wundern. Davon hat diese Welt schon viel zu viele gesehen. Erweitere die Rationen um medizinische Vorräte. Danach“, hier sank die Stimme des Verhüllten zu einem bedrohlichen Grollen herab, „danach werde ich sehen, was wir gegen dein Problem machen können.“
    Atlan wartete auf eine Erwiderung des Meisters, doch stattdessen erklang nochmals das Kratzen des Verhüllten – und diesmal so nah, dass Atlan keinen weiteren Augenblick vergeudete, sondern den Gang hinunterstürzte, um außer Sicht zu kommen.
    In dieser Nacht fand Atlan keinen Schlaf.

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