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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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hätten.
    Der letzte Tag bestand für die Novizen aus der schlimmsten Prüfung: der Geduld.
    Während ihre Ergebnisse ausgewertet, ihre Antworten verglichen und ihr Auftreten beurteilt wurden, konnten sie nur warten. Und hoffen, dass das Ergebnis ihren Wünschen entsprach, denn heute entschied sich, wer sich in den Augen der Priester zum Redner eignete, wer für den Außendienst und wer fortan nur einfache Aufgaben übernehmen durfte.
    Abhängig davon wurde festgelegt, auf welche Art die Jungen weiter gefördert wurden. Was bei den Prüfungen herauskam, wurde niemals offiziell verkündet – sie würden es nur allmählich an den ihnen zugeteilten Pflichten erkennen.
    Trotzdem brach allgemeine Erleichterung aus, als die Priester jedem von ihnen ein blaues Gewand überreichten – niemand wurde aufgrund völligen Versagens aus dem Kloster verwiesen. Diese Entscheidung war zwar selten, doch derart endgültig, dass ihr gelegentliches Fällen genügte, um über Jahre hinweg geflüsterte Warnungen am Leben zu erhalten.
    Feierlich und in Blau gehüllt betraten die jungen Adepten abends den allgemeinen Speisesaal.
    Was ihnen nun noch bevorstand, war das Ende ihrer Ausbildung. Die Priesterweihe würden sie ablegen, sobald sie das achtzehnte Lebensjahr abgeschlossen und vier Jahre den Dienst als geprüfte Adepten absolviert hatten.
    Einige von ihnen würden diese vier Jahre erst in höherem Alter hinter sich haben. Doch nicht Atlan. Mit seinen dreizehn Jahren war er mit Abstand der Jüngste unter seinen Mitprüflingen. Sie alle würden schon lange die Priesterweihe erhalten haben, wenn er noch immer sein Dasein als Adept fristete.
    Denn von einem waren alle überzeugt – das Leben eines Priesters musste aufregender und zugleich sicherer sein als das eines Novizen oder Adepten.
     
    Im ersten Jahr unterschieden sich Atlans neue Pflichten nicht von denen der anderen Adepten. Er wurde auf Besorgungsgänge mitgenommen, um die Stadt und die dort gepflegten Kontakte kennenzulernen.
    Auch wenn ihm auffiel, dass er stärker unter der beißenden Luft im Freien zu leiden schien als die älteren Adepten, ließ er sich davon nicht unterkriegen. Allmählich begannen die verwinkelten Straßen und die fremden Gesichter, vertraute Züge anzunehmen, und Atlan ertappte sich mehrmals bei dem Gedanken, dass eine bestimmte Abzweigung sie schneller ans Ziel gebracht hätte.
    Was für ihn allerdings nichts von ihrem Schrecken verlor, war die Metro. Ob es an Kirrets Geschichte lag, in der sie ihm das erste Mal beschrieben worden war, oder an der Metro selbst, konnte er nicht genau sagen.
    Durch einen Eingang in der Nähe der Abtei gelangte man über Rolltreppen und Aufzüge hinunter in einen weiten, hell beleuchteten Tunnel, der wiederum zu den einzelnen Bahnsteigen führte, wo hinter stabilen Glaswänden die Züge vorbeischossen. Nur wenn die Metros anhielten, wurde das Sicherheitsglas heruntergelassen und verschwand im Boden, um das Aus- und Einsteigen zu ermöglichen. Bei dem Gedränge, das Arbeiter und andere Reisende zu den Stoßzeiten auf den Plattformen bildeten, wären Unfälle andernfalls unvermeidbar.
    Als Atlan einen dieser Züge einmal näher inspizierte, stellte er überrascht fest, dass zwischen dem Zug und dem darunterliegenden, einzelnen Gleis ein gut handspannenbreiter Abstand lag. Die Wagen schwebten durch magnetische Kraft, wodurch sie sich nahezu lautlos bewegten. Das trug nicht gerade dazu bei, ihm die Züge geheuer werden zu lassen, und im Inneren wurde das Erlebnis noch unangenehmer.
    Die Fenster, die sich zu beiden Seiten durch die Metro zogen, waren nur während des Aufenthaltes in einer Station durchsichtig. Sobald der Zug anfuhr, wurden auf den Scheiben Monitore aktiv geschaltet, die eine langsam vorbeiziehende, sich ständig wiederholende Stadtlandschaft zeigten. So sollte eine Panik angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der die Bahnen durch den unterwegs waren, vermeiden werden. Nicht einmal ein Fahrer musste sich den Schrecken der tatsächlich zurückgelegten Strecke aussetzen – die Züge fuhren rein computergesteuert.
    Obwohl für die ärmeren Schichten konzipiert, war die Metro durch die speziell konstruierten Gleise ein sicheres Verkehrsmittel, das selbst ohne ständige Wartung so gut wie immun gegen technische Gebrechen war. Wenn allerdings ein Hindernis auf die Gleise gelangte – in dem Fall von Kirrets Geschichte ein Selbstmörder, der es geschafft hatte, die Sicherheitsmaßnahmen zu überwinden – waren

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