Das Urzeit-Monstrum
fiel ihm jetzt auch wieder leichter.
Boris Beckmann glaubte fest daran, daß in der vergangenen Nacht etwas mit ihm und durch ihn geschehen war, an das er sich nicht mehr erinnern konnte.
Es war etwas passiert, etwas Entscheidendes, aber er konnte trotz intensiven Nachdenkens nicht sagen, was da abgelaufen war. Jedenfalls hatte es mit ihm persönlich zu tun. Er war der Mittelpunkt gewesen, und er hatte auch etwas getan.
Über den Rand der Tasse hinweg starrte der Maler ins Leere. Er versuchte dabei, seine Gedanken zu ordnen, was nicht so einfach, wenn nicht sogar unmöglich war. Es gab zwar ein Ergebnis, nur fand er den Weg nicht.
Was war geschehen? Dieser Gedanke beherrschte ihn. Es machte Beckmann krank, daß er auf diesem Weg nicht weiterkam. Lautstark stellte er seine Tasse ab, so hart, daß die beinahe zerbrochen wäre.
In der Nacht war etwas geschehen. Und dieser Vorfall hatte mit ihm zu tun. Er war daran beteiligt gewesen. Es kam ihm plötzlich so vor, als hätte er etwas geschaffen.
Beckmann wunderte sich selbst über diesen Gedanken. Was sollte er geschaffen haben? Nichts, gar nichts. In seinen Phantasien und Träumen konnte er Bilder erstellen, was nicht nur auf sein Talent zurückging, sondern auch auf andere Kräfte. Wenn er tatsächlich etwas schuf, dann geschah dies zumeist tagsüber, weil dann das Licht besser war.
Und doch mußte da was geschehen sein…
Beckmann verließ die Küche. Er schlurfte ins Bad. Der Raum war nicht sehr groß, reichte ihm aber.
Er betrachtete sich im Spiegel – und erschrak! Ja, es war sein Gesicht, in das er schaute. Nur hatte er den Eindruck, daß es einem Fremden gehörte, denn seine Haut zeigte ein Muster aus Falten und Einkerbungen. Die Haut war zerknittert und sah grau aus. Kein Leben in den Augen. Sie erinnerten ihn an trübe Pfützen. Der Mund wirkte wie eine fleischige Falte. Das Kinn war weich, die Haut lappig und mit Überwürfen bedeckt, als könnte er sie so leicht abziehen wie Papier.
Das strohige Haar stand wirr auf seinem Kopf.
Er zog sich aus, ohne daß er es so richtig registrierte. Beckmann fühlte sich als Gefangener seiner eigenen Gedanken, wobei er nicht nachvollziehen konnte, um welche Gedanken es sich handelte. Er war jemand, der einfach davonflog.
Er kam nicht zurecht. Er tat alles automatisch.
Sein Leben glich tatsächlich einem Automatismus, und das schon seit Wochen.
Jemand anderer oder jemand anderes hatte die Kontrolle über ihn übernommen.
Boris Beckmann merkte erst, daß er unter der Dusche stand, als das Wasser heiß geworden war. Mit einer trägen Bewegung stellte er es kälter ein.
Zwei Minuten später drehte er es wieder ab, wickelte sich in das Handtuch ein und war froh über den Wasserdampf auf dem Spiegel, so konnte er sich nur schattenhaft erkennen.
Er trocknete sich ab, frottierte auch sein Haar und bürstete es, bevor er sich auf den Weg ins Schlafzimmer machte. Seinen Jogginganzug nahm er mit.
Auf dem Bett ließ er ihn liegen, dann öffnete er die Schranktür und suchte nach der Hose und dem Pullover, nachdem er frische Unterwäsche angezogen hatte.
Es war alles normal. Wie an jedem Morgen. Trotzdem war es anders.
Oder weshalb fürchtete er sich davor, in den Schrank zu schauen?
Etwas war anders.
Nein, das war es nicht. Es kam ihm nur so vor.
Der Schrank war noch immer ein Schrank, nur glaubte er daran, ein Geheimnis entdeckt zu haben, das sich schon immer in ihm verborgen gehalten hatte.
Tief versteckt. Schwarz und bedrohlich. Er zitterte plötzlich. Seine Blicke streiften über die aufgehängten Kleidungsstücke, die sich nicht verändert hatten. Er wußte, daß der Schrank eine ziemliche Tiefe hatte, die ihm nie etwas ausgemacht hatte. Heute dachte er anders darüber. Die Tiefe schien von einer unheimlichen Kraft oder Macht erfüllt zu sein, die nicht von dieser Welt stammte, und Beckmann fror plötzlich, obwohl es warm im Raum war.
Sein Gesicht hatte eine gewisse Röte bekommen. Im Körper zog sich etwas zusammen, aber nicht nur dort, denn er fühlte sich plötzlich umzingelt. Da waren irgendwelche unsichtbaren Feinde, die ihm an den Kragen wollten. Automatisch trat er einen Schritt zurück, starrte dabei noch immer gegen die Kleidung, die sich leicht bewegte.
Oder irrte er sich? Bildete er sich diese Dinge nur ein?
Beckmann wußte es nicht. Alles, was er hier erlebte oder sich einbildete, hatte mit ihm zu tun, aber er kam nicht dahinter, wieso dies überhaupt möglich war.
Schließlich hatte er es
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