Das Vamperl
Mal.
Aber kurz darauf fing alles wieder von vorne an.
Am Ende der ersten Woche nach dem Flügelbruch lag Vamperl in seinem Korb auf dem Fensterbrett.
Die Sonne schien.
Frau Lizzi bügelte.
Plötzlich fiepte Vamperl laut und ruderte mit den Armen.
Frau Lizzi rannte zum Fenster.
Gegenüber lehnten die alte Frau und der ehemalige Dieb friedlich nebeneinander im Fenster und sahen auf die Straße hinunter.
Vamperl klatschte in die Hände.
Frau Lizzi fuhr ihm über den Kopf.
»Dann war es ja doch nicht umsonst. Das ist gut. Sehr gut ist das, mein Lieber.«
Vamperl fiepte begeistert. Er hopste vorFreude in seinem Korb herum, bis Frau Lizzi Angst bekam, er würde mitsamt seinem Korb umkippen und herunterfallen.
An diesem Tag ging Frau Lizzi zum ersten Mal seit dem Unfall einkaufen. Sie hatte rein gar nichts mehr im Haus. Die letzten
drei Tage hatte sie nur noch Haferflockensuppe gegessen. Auf dem Rückweg kaufte sie eine Zeitung. Als sie die Zeitung lesen
wollte, bettelte Vamperl so lange, bis sie ihm vorlas.
Dann lag er ganz ruhig und hörte gespannt zu.
Frau Lizzi fragte sich, ob das denn gut für ihn sei.
Sie fand, es stünde eine Menge in der Zeitung, das für Kinder nicht geeignet war. Auch für Vampirkinder nicht. Aber dann dachte
sie: Wer weiß, was er versteht. Sicher nicht mehr, als ihm gut tut. Seine Augen sind so klug. Wenn er doch nur reden könnte!
Von da an musste Frau Lizzi jeden Tag eine Zeitung kaufen. Wenn sie die Zeitung fertig gelesen hatte, sagte sie Vamperl Gedichte
auf. Sie wunderte sich selbst, wie viele sie noch auswendig wusste.
Nach zwei Wochen konnte Frau Lizzi die Leukoplaststreifen abreißen.
Vamperl fiepte und zitterte.
»Was sein muss, muss sein«, sagte Frau Lizzi und entfernte die Zahnstocher.
»Sieht so gut wie neu aus«, freute sie sich. »Aber pass auf!« Vamperl bewegte den Flügel sachte auf und ab.
Beim ersten Flugversuch am nächsten Tag torkelte er durch die Wohnung. Er lag sehr schief in der Luft.
Zwei Tage später aber flog er schon fast wie früher.
Nur nicht ganz so schnell.
»Aber allein fliegst du mir nicht wieder weg!«, sagte Frau Lizzi streng.
Radfahren verboten
Samstag war ein herrlicher Tag. Frau Lizzi meinte, es würde Vamperl gut tun, richtig an die frische Luft zu kommen. Nach dem
Mittagessen breitete sie ein weiches Handtuch in ihre große Einkaufstasche. Sie setzte den kleinen Vampir auf das Handtuch.
Er strampelte und wehrte sich.
»Ach so«, sagte Frau Lizzi. »Du ärgerst dich, weil du da nichts sehen kannst.«
Sie hob ihn heraus und schnitt schweren Herzens ein Guckloch in die gute Tasche. Nun war Vamperl zufrieden. Er ließ sich spazieren
tragen, über die Hauptstraße, durch den Park, durch die Siedlung.
Sie kamen zum Spielplatz.
In der Sandkiste saßen drei kleine Kinder und bauten eine Sandburg. Frau Lizzi setzte sich auf die Bank und sah ihnen zu.
Sie war müde, ihre Gelenketaten wieder einmal weh und es machte ihr Freude, den Kindern zuzusehen.
Eine Kinderschar kam auf Fahrrädern angefahren.
Sie fuhren im Kreis durch die Anlage.
Sie fuhren ein Rennen.
Sie fuhren einen Slalom.
Als sie einen Langsamfahrwettbewerb machten, kam der Hausmeister. »Sofort aufhören!«, rief er. »Radfahren ist in der Anlage
verboten!«
»Wo sollen wir denn Rad fahren?«, fragte ein Mädchen.
Der Hausmeister fuchtelte mit den Armen. »Frech auch noch! Könnt ihr nicht lesen? Was bringen sie euch heutzutage überhaupt
noch bei?« Er packte das Mädchen an den Schultern und führte sie zu einem großen Schild. »Was steht da? ›Radfahren verboten‹
steht da. Klar und deutlich. Also los! Wenn ihr nicht sofort verschwindet mit euren Fahrrädern, dann rufe ich die Hausverwaltung
an.«
Ein kleineres Kind kippte mit dem Rad um und begann zu weinen. Frau Lizzi hielt ihre Tasche mit beiden Händen zu. Aber es
war schon zu spät. Vamperl war bereits hinausgeflitzt. Er stürzte sich auf den Hausmeisterbauch.
Er biss zu.
Er fing an zu saugen.
Der Hausmeister kratzte sich am Hinterkopf. Dann fragte er: »Tja – wo sollen sie denn wirklich Rad fahren?«
Die Kinder standen stocksteif. Der Kleine hörte auf zu weinen.
»Auf der Straße dürfen sie nicht, weil sie noch zu klein sind«, fuhr der Hausmeister fort. »Auf dem Gehsteig fahren sie womöglich
Kinder und alte Leute um. Wo sollen sie wirklich hin mit ihren Rädern? In der Küche kann man nicht Rad fahren.« Er wandte
sich mit strenger Miene an die Kinder. »Also
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