Das Vamperl
über die Wangen.
Auf dem Gesicht des Professors breitete sich eine große Verwunderung aus.
Plötzlich fiel Vamperl vom Professorbauch ab wie ein reifer Apfel.
Frau Lizzi konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er zu Boden fiel.
Er rollte sich in ihrer Hand zusammen. »Meine liebe Frau Lizzi«, sagte der Professor, »es war wirklich nicht so gemeint.«
»Schon gut«, sagte sie. »Also auf Wiedersehen!«
»Bitte, bleiben Sie doch!« Der Professor legte ihr die Hand auf den Arm.
Vamperl zitterte.
»Tut mir Leid, Herr Professor«, sagte Frau Lizzi. »Vamperl ist noch viel zu schwach fürs Krankenhaus. Der gehört jetzt nach
Hause. Sie können ja mit Ihren Herren zu uns kommen, wenn Sie wollen. Ich koche Ihnen auch einen Kaffee. Und später, wenn
mein Vamperl wieder gesund ist, kommen wir auch her, falls Sie uns brauchen. Wir helfen gern aus. Aber eingesperrt wird nicht
mehr.«
»Eingesperrt wird nicht mehr«, wiederholte Professor Obermeier und nickte.
Vamperl war inzwischen auf Frau Lizzis Kopf gekrabbelt.
»Zieh nicht so an meinen Haaren«, sagte sie.
Sie lächelte. Wenn er sie an den Haaren rupfte, dann war ja alles wieder gut. Oder fast gut.
Die Ärzte und Schwestern standen immer noch im Halbkreis um Professor Obermeier und Frau Lizzi. Sie hatten Mühe, den Mund
wieder zuzubringen. Sie standen da wie ein stummer Chor.
Sie konnten nicht fassen, dass es jemand gewagt hatte, dem Herrn Professor zu widersprechen.
Sie konnten noch weniger fassen, dass der Herr Professor so freundlich wurde, wenn man ihm widersprach.
»Wir müssen gehen«, sagte Frau Lizzi. »Wir haben viel zu tun. Es ist alles in Unordnung gekommen, während er hier war.«
Sie schüttelte dem Professor die Hand. Er begleitete sie bis zum Ausgang. Ärzte und Schwestern gingen hinterdrein.
Vamperl zupfte glücklich fiepend Haare aus Frau Lizzis Knoten. Er winkte dem Professor und den Ärzten und den Schwestern zu.
Die Sonne schien.
»Na, du«, sagte Frau Lizzi. »Für heute gehen wir nach Hause. Ich habe mir einen Kaffee verdient, meinst du nicht? Aber sobald
du wieder gesund bist, machen wir uns ernsthaft auf die Suche. Du weißt schon, was ich meine. Ein Vamperl ist einfach nicht
genug. Solche wie dich brauchen wir viele!«
Informationen zum Buch
»Nein, das gibt’s nicht!«, sagt Frau Lizzi, als sie einen winzig kleinen Vampir in ihrer Wohnung entdeckt. Nach dem ersten
Schrecken beschließt sie das Vamperl mit der Flasche aufzuziehen – mit Milch versteht sich, nicht etwa mit Blut. So wächst
der kleine Vampir heran und entwickelt ganz ungewöhnliche Eigenschaften: Wird nämlich ein Mensch zornig und böse, ist das
Vamperl gleich zur Stelle. Es versetzt dem Wüterich einen Stich in die Galle und saugt das Gift aus ihr heraus.
Informationen zur Autorin
Renate Welsh lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Sie hat viele engagierte Kinder- und Jugendbücher geschrieben, für die sie neben
zahlreichen anderen Auszeichnungen mehrfach den Österreichischen Staatspreis, den Preis der Stadt Wien und den Deutschen Jugendliteraturpreis
erhielt. Ihr Gesamtwerk wurde 1995 mit dem Österreichischen Würdigungspreis und 2006 mit dem Literatur-Würdigungspreis des
Landes Niederösterreich ausgezeichnet. Mehr von Vamperl und Frau Lizzi ist nachzulesen in den beiden dtv junior Lesebären ›Vamperl soll nicht alleine bleiben‹ und ›Wiedersehen mit Vamperl‹.
Heribert Schulmeyer wurde 1954 in Köln geboren. Er studierte an der ehemaligen Kölner Werkschule im Fachbereich Illustration und Freie Grafik
und lebt heute als freier Illustrator in Köln.
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