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Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Titel: Das verbotene Land 2 - Drachensohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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Tod. Auf dem Sterbebett habe ich ihr damals vor sechs Jahren versprochen, ich würde ihren Sohn an mich nehmen, ihn großziehen und auf ihn aufpassen. Du siehst, Melisande, ich habe meinen Schwur gehalten.«
    Vor der Tür sang ein Vogel ein werbendes Lied. Ein Eichhörnchen keckerte, und ein Fuchs bellte. Der Wind strich raschelnd durch die Blätter und stahl sich durch die offene Tür herein. Sein Hauch berührte Nem sanft an der Wange.
    »Wie lautet dein Name?«, begann Bellona ihren Katechismus.
    »Nem«, antwortete der Junge. Diesen Teil mochte er nicht.
    »Dein wahrer Name«, hakte Bellona stirnrunzelnd nach.
    »Nemesis«, gab er widerstrebend zurück.
    »Nemesis«, wiederholte sie.
    Sie beugte sich herunter und legte die Lippen auf seine Stirn. Diesen rituellen Kuss erhielt er nur einmal im Jahr an seinem Geburtstag von ihr. Er war ein ganz besonderes Geschenk. Ihre Lippen waren so rau wie ihre Hände, und der Kuss kühl, trocken und leidenschaftslos, doch er würde ihn das ganze Jahr fühlen, sich immer daran erinnern. Aber auch das behielt er für sich.
    »Deine Seele ruhe in Frieden, Melisande«, endete Bellona. »Geh wieder schlafen.«
    Sie ließ den Jungen los und wandte die Augen von ihm ab. Ihr Blick ruhte auf den Blumen. Jetzt wirkte sie traurig und nicht richtig da.
    »Du musst die Schlingen nachsehen, Nem. – Ach«, fügte sie unerwartet hinzu, »und morgen brechen wir zum Markt in Schönfeld auf. Wir müssen unsere Pelze eintauschen.«
    Er erstarrte wie die Kaninchen, wenn er sich ihnen näherte. Den Markt hasste er. Einmal im Jahr gingen sie entweder nach Schönfeld oder in einen anderen Ort, damit Bellona ihre Pelze gegen Salz, Mehl, Werkzeug und das Wenige, was sie sonst noch brauchten, tauschen konnte. Auf dem Markt gab es Kinder, die vom Bauch aufwärts so aussahen wie Nem, nach unten hin jedoch nicht. Obwohl Bellona seine Tierbeine unter langen Wollhosen und seine Krallenfüße in Lederstiefeln verbarg, konnte sie nichts dagegen tun, dass er sich anders bewegte als andere Kinder.
    »Ich will nicht mit«, murrte er an diesem Morgen, seinem Geburtstag. »Ich will hier bleiben. Ich komme gut allein zurecht.«
    Einen Augenblick dachte er, sie würde es vielleicht erlauben, denn es trat ein nachdenklicher Ausdruck auf ihr Gesicht, nicht das Missfallen, mit dem er gerechnet hatte. Schließlich jedoch schüttelte sie den Kopf.
    »Nein. Du musst mit. Ich brauche deine Hilfe.«
    Das stimmte zwar, aber es war nicht die ganze Wahrheit. Sie wollte ihn mitnehmen, um ihn zu quälen, ihn zu prüfen. Ständig stellte sie ihn auf die Probe. Das sollte ihn stark machen, doch nun machte es ihn wütend. In seinem lodernden Zorn sprach er Worte, die ihn selbst überraschten.
    »Heute ist mein Geburtstag. Ich musste meine Mutter grüßen. Warum eigentlich grüße ich nie meinen Vater?«
    Wieder sah Bellona ihn an – zum zweiten Mal an diesem Tag –, aber diesmal fand er nicht sich selbst in ihren Augen. Dort stand nur lodernde Wut.
    Mit der flachen Hand gab sie ihm eine Ohrfeige, die ihn auf den Boden stürzen ließ. Sein Mund schmeckte nach Blut und nach dem frischen Grün der Binsen.
    Nem rappelte sich auf. Seine Ohren klingelten, und sein Kopf tat weh. Von seiner Lippe tropfte Blut, und er spie einen Milchzahn aus, der ohnehin schon locker gewesen war. Aber er weinte nicht, denn Tränen waren Schwäche. Er sah Bellona an und sie ihn. Da begriff er, was es mit seinem Vater auf sich hatte. Er wusste nicht, weshalb, aber er verstand. Und er drehte sich um und rannte ins Freie. Seine Krallen scharrten über die Binsen.
    Die Schlingen waren leer. Irgendwann war er hier an diesem Ort gelandet, in seiner Höhle, wo er sich geborgen fühlte. Er dachte an seine Mutter, deren Gesicht er geerbt hatte. Das Gesicht, dessen Anblick Bellona quälte, weil sie Nems Mutter von Herzen geliebt hatte und immer noch um sie trauerte. Nem gab sie die Schuld an ihrem Tod. Und nicht zum ersten Mal in seinem Leben dachte Nem über seinen Vater nach.
    Den Vater, von dem er seine Beine hatte, Tierbeine, und dem er seinen Namen verdankte: Nemesis – Rache.

2
    Nem blieb den ganzen Tag in seiner Höhle. Bellona würde ihn nicht vermissen. Tagsüber konnte er tun und lassen, was er wollte, solange er seinen Pflichten nachkam. Er musste nur bei Sonnenuntergang zu Hause sein. Ein einziges Mal hatte er diese Regel übertreten, weil er sich so weit weg gewagt hatte, dass er den Heimweg nicht rechtzeitig schaffte. Bellona hatte ihn mit einer

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