Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Menschengestalt, der sich unter die Menschen mengte und sie im Auge behielt. Deshalb trug er unzählige Bilder von Menschen mit sich herum, die Lysira verstörend und abschreckend fand. Aber auch faszinierend.
Was sie irritierte, war der faszinierende Teil. Bei ihrer letzten Unterhaltung hatte sie nur wenige dieser Bilder gesehen, doch seither hatte sie festgestellt, dass diese Bilder sich in ihre Träume schlichen und ihre heitere Gelassenheit aufbrachen. Sie ließen sich einfach nicht verdrängen. Dabei wollte Lysira eigentlich nichts mehr von ihnen wissen.
Nachdem sie sich entschlossen hatte, mit dem Zweibeiner zu sprechen, waren noch ein paar Jahre vergangen, bis sie auch den Mut dazu fand. Immer wenn sie sich ihm nähern wollte, scheute sie schließlich doch davor zurück, um sich verwirrt in ihren Hort zurückzuziehen.
Darüber ärgerte sie sich. Ein Jahr lang wandte sich ihr Ärger gegen Drakonas, der schließlich die Ursache für all dieses Durcheinander war. Doch das stimmte gar nicht. Sie selbst verhielt sich irrational. Es war nicht seine Schuld. Maristara hatte angefangen. Schließlich hatte sie jenes Menschenreich erobert, wo sie Menschen mit Drachen kreuzte, um magisch begabte Menschen zu züchten. Diese Tatsache gestand sich Lysira nur ungern ein.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sie beschlossen, auf Drakonas verzichten zu können. Sie wollte den Verräter auf eigene Faust entlarven. Aber Lysiras Nachforschungen blieben halbherzig und brachten sie nicht weiter. Die anderen Drachen reagierten unwirsch bis unverschämt auf ihre Fragen. Offensichtlich wollten sie nicht darüber nachdenken, sondern hofften, alles würde sich von selbst lösen. Sie verschlossen ihre Gedanken vor Lysira und schickten sie weg.
Damit blieb ihr nur Drakonas. Sie wollte mit ihm reden. Unbedingt. Zitternd ob ihrer eigenen Kühnheit dehnte Lysira ihre Farben nach ihm aus.
Doch seine Gedankenfarben waren verschwunden. Als hätte ein nasser Schwamm sie weggewischt.
Als Lysira im leeren Parlamentssaal hockte, keimte erstmals Angst in ihr auf. Nicht um Drakonas, sondern um sich selbst. Und um alle anderen Drachen.
Anora bedauerte sehr, dass sie Drakonas töten musste.
Von allen Zweibeinern, die ihre Drachengestalt geopfert hatten, um durch Illusion zum Menschen zu werden, war Drakonas der beste gewesen. Zu den Gefahren dieser Existenz unter den Menschen gehörte, dass der Zweibeiner entweder zu menschlich wurde (dann vergaß er, warum man ihn zu den Menschen geschickt hatte) oder dass er zu sehr Drache blieb (dann beschwerte er sich schmollend über die Unzulänglichkeiten des Lebens als Mensch).
Drakonas war der Erste gewesen, der sein Wesen bewusst teilen konnte. Er hatte Drachenhälfte und Menschenhälfte stets klar getrennt gehalten. Selbst jetzt, wo es so schien, als hätte er sich auf die Seite der Menschen geschlagen und würde diese beschützen, wusste Anora, wie es wirklich war. Drakonas' Handeln war davon bestimmt, was in seinen Augen für die Drachen das Beste war.
Bewundernswert. Ein Irrtum, aber bewundernswert.
In der Maske der Illusion stand sie in dem Haus, wo sie Drakonas ihre Falle gestellt hatte. Während sie ihn aus dem Schatten heraus beobachtete, überlegte sie, ob sie ihn nicht am Leben lassen könnte. Sie könnte ihm doch erklären, dass er sich irrte. Vielleicht würde er Vernunft annehmen. Doch diesen Gedanken verwarf sie bald mit einem bedauernden Seufzen.
Drakonas fühlte sich seiner Aufgabe verpflichtet. Mit aller Kraft setzte er sich für den Frieden zwischen Menschen und Drachen ein, der herrschte, seit der erste Mensch sich auf zwei Beine gestellt hatte. Drakonas würde niemals verstehen, weshalb dieser Frieden enden musste. Anora wusste, dass Erklärungen nutzlos waren.
Er musste sterben.
Momentan wendete Drakonas ihr den Rücken zu. Sie beobachtete ihn, seit er das verlassene Gebäude betreten hatte, wo er dem Drachen Grald, dem Herrscher von Drachenburg, eine Falle stellen wollte. Grald hielt in seinem eigenen geraubten Körper auf das Haus zu.
Er stand mit Anora in Kontakt. Ihre Gedankenfarben vermischten sich, wenn auch nicht besonders harmonisch. Anora dachte an ihre eigenen hochgesteckten Ziele, während Grald mit seiner Rache beschäftigt war. Aber was sollte man erwarten? Grald war ein Drache niederer Art. Er entstammte nicht dem Drachenadel, der seit Jahrhunderten die Geschicke der Welt lenkte. Nach menschlichen Maßstäben war Grald ein Bauer.
Nur deshalb hatte der Drache Maristara
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