Das verbotene Tal
dafür.“
Meta, selbst tränennaß, konnte keine
Spur von Tränen in Lettys Augen entdecken. Erheblich leichteren Herzens ging
sie zu ihrem Mann zurück und berichtete ihm, wie tapfer Letty die böse
Nachricht aufgenommen hatte. „Nicht einmal geweint hat sie — und ich weiß doch,
wie sehr sie an dem Tier hängt!“
In der Nacht aber ließ Letty den Tränen
freien Lauf. Schon zeigte sich der Streifen erster Dämmerung, da lag sie noch
wach.
Draußen hatte es ohne Unterlaß
weitergeregnet, und auch jetzt goß es stetig und so stark, daß die Gefahr
großer Überschwemmungen bestand.
Dave und Meta Brunson schliefen fest,
aber die kleine Letty bereitete sich geräuschlos und eilig auf einen letzten
Ritt vor, zu dem sie sich in der durchwachten Nacht entschlossen hatte. Leise,
auf Zehenspitzen, schlich sie zum Stall — aber doch nicht geräuschlos genug, um
von einem nicht gehört zu werden: Während sie Taffy sattelte, lag Pom-Pom ganz
in der Nähe auf der Lauer und schien entschlossen, sie zu begleiten. Letty
konnte ihn nicht mehr ins Haus bringen; so nahm sie das weiße Pudelchen, setzte
es in die leere Box und klinkte die Tür fest ein.
„Warte nur, kleiner Pom-Pom! Ich bin
gleich wieder da!“
DIE FLUCHT
Es regnete noch immer, aber doch nicht
mehr so stark wie vorher, als Letty nun den Weg zum Martin-Hof einschlug.
Endlos dehnte sich der Weg, endlich aber tauchte der weiße Zaun doch vor ihr
auf. Als sie auf den Hof ritt und vor dem Stall hielt, war sie überzeugt davon,
daß Timmy jeden Augenblick heraus und ihr entgegenkommen würde. Aber nicht
einmal Lassie zeigte sich.
Timmy schlief noch fest, und nur Ruth
war an diesem regnerischen Morgen schon wach.
Lassie lag auf ihrer Decke neben Timmys
Bett. Plötzlich schreckte sie auf, trottete zum offenen Fenster und spähte auf
den Hof. Und dann war sie mit einem behenden Satz ins Freie gesprungen, lief
auf das nasse, erschöpfte Mädel zu, das eben aus dem Sattel stieg, und begrüßte
es freudig.
Das muntere Bellen weckte auch Timmy.
Er torkelte, noch ganz verschlafen, ans Fenster. Und auf der Stelle wurde er
hellwach, zog sich eilig an und stürmte zwei Minuten später aus dem Haus. Daß
er nur einen Schuh trug, bemerkte er erst draußen, und verblüfft winkte er der
Freundin mit dem andern, den er noch in der Hand hielt, grüßend zu.
„Was willst du denn hier?“ rief er.
„Ich habe dir Taffy gebracht!“ war die
Antwort.
„Mir?“ Timmy wußte nicht, was er sagen
sollte.
Sie nickte mit ernstem Gesicht.
„Wir müssen ihn verkaufen. Und da
dachte ich, daß vielleicht dein Vater ihn erwerben wolle.“ Es sollte sehr
tapfer klingen, aber die Stimme brach ihr immer wieder. „Der Pferdemann will
ihn doch heute früh abholen — deshalb mußte ich beizeiten herkommen.“
„Ach, wie gern möchte ich ihn haben!“
Liebevoll streichelte Timmy die weiche braune Nase des Ponys.
„Wenn du ihn kaufst, darf ich ihn
vielleicht manchmal besuchen!“ Letty kuschelte sich mit den blonden Locken an
den Hals des Pferdes.
In diesem Augenblick beugte sich Ruth
Martin aus dem Küchenfenster.
„Letty?“ rief sie. „Wie kommst du denn
so früh schon her? Komm herein und frühstücke mit uns!“
Nur zu gern erholte sich Letty in der
warmen Küche von dem Ritt durch den Regen, aber essen konnte sie noch nichts.
Ihr Appetit würde erst zurückkehren, sobald sie wußte, daß Taffy bei Familie
Martin geborgen war. Auch Paul Martin kam herein, während das Kind gerade
seinen Plan erklärte. Als Letty fertig war, blickte er sie ernst an.
„Es tut mir leid, Letty“, sagte er. „Aber
dein Vater hat doch dem Verkauf bereits zugestimmt, und nun darfst du nicht
verlangen, daß er sein Wort bricht.“
„Aber der Pferdemann, darf Taffy nicht
bekommen!“ jammerte das Mädchen. „Er wird mein Pony ganz weit wegbringen, und
ich werde es niemals wiedersehen.“
„Er hat jedenfalls Anspruch darauf,
wenn der Kauf fest abgesprochen war“, sagte Ruth sanft. „Verstehst du das
nicht?“
„J-ja, doch...“ gab Letty schluchzend
zu. „Aber...“
„Letty, armes Kindchen“, drängte Timmys
Vater. „Es tut mir herzlich leid — aber du mußt nun schnell nach Hause. Der
Pferdemann wird Taffy schon suchen!“
Letty mußte einsehen, daß es zwecklos
war. Sie warf sich den Regenmantel wieder um und stürzte zur Tür.
„Einen Augenblick noch, Kleine!“ rief
Ruth. „Erst mußt du etwas Warmes in den Magen bekommen. Und dann kann dich
Onkel Petrie mit
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