Das verfluchte Koenigreich
mir ein bisschen fiebrig vorkam, als ich heute Nachmittag mit deinem Vater dort war.«
Tania lächelte. »Du machst dir zu viele Sorgen, Mum. Hier wird niemand krank, weißt du. Wir sind schließlich im Elfenreich. Elfen werden nicht krank und sterben auch nicht.«
»Wie du meinst, mein Schatz«, erwiderte ihre Mutter lächelnd. »Aber auch im Elfenreich braucht ein Baby viel Pflege und Aufmerksamkeit.«
Sie küsste Tania flüchtig auf die Stirn und verschwand in der Menge. Tania schaute ihrer Mutter einen Augenblick nach, wie sie auf den großen weißen Pavillon zuging, der während der Hochzeitsfeier als Krabbelstube für die kleinsten Elfenkinder diente.
Tania schlug den Weg zu den kleinen Zelten ein, die am westlichen Ende des Tals standen, in der Hoffnung, dass sie ihren Vater dort antreffen würde. Um Edric brauchte sie sich keine Gedanken zu machen, der war bei Titus und Corin gut aufgehoben. Trotzdem hätte sie gern gewusst, was er ihr vorhin auf dem Hügel sagen wollte.
Vielleicht will er mich auf eine große Rundreise durch das Elfenreich mitnehmen , dachte sie. Das wäre cool! Tania war schon vor ein paar Wochen durchs Land gereist, aber damals war sie auf der Flucht vor ihren Feinden gewesen. Umso schöner wäre es jetzt, ohne jede Eile durch das Elfenreich zu wandern, einfach nur zum Vergnügen.
Außerdem hoffte sie, dass Erinnerungen an ihre Kindheit zurückkehrten, wenn sie die Orte wiedersah, die sie früher als Kind besucht hatte. Tania wusste nichts mehr von diesem Leben, auch nicht von dem verhängnisvollen Tag, an dem Rathina sie überredet hatte, ihre besondere Gabe zu testen und zwischen den Welten zu wandeln. Mit dem Ergebnis, dass Tania fünfhundert Jahre lang in der Welt der Sterblichen gefangen war. So schön und faszinierend es im Elfenreich auch war, fühlte sie sich ihrer Mutter und ihren Schwestern gegenüber oft ein wenig fremd. Ein paar neu erwachte Erinnerungen an ihre Elfenkindheit könnten da nicht schaden.
Tania steckte ihren Kopf durch die Öffnung des kleinen lila Zelts. Es war gerade groß genug für zwei Klappbetten und eine bauchige Eichentruhe, in der Kleidung und andere Besitztümer untergebracht waren. Eine Laterne hing an einem Zeltpfosten und erfüllte den Raum mit warmem Licht.
»Zimmerservice, Sir«, rief Tania hinein. »Hier im exklusiven Hotel Leiderdale genügt ein Fingerschnippen und schon stehen wir Ihnen zu Diensten.« Grinsend trat sie in das stickige Zelt. »Allerdings kann ich dir nicht mit einer Mini-Bar dienen, Dad, denn im Elfenreich gibt es keinen Alkohol.«
Tanias Vater lag auf seinem Bett, den Kopf auf mehrere Kissen gebettet und las in einem Buch. Er hatte seine Schuhe ausgezogen, war aber sonst voll bekleidet. Er hatte immer noch die Elfentracht an, die ihre Mum für ihn ausgesucht hatte. Irgendwie sah er komisch aus in dem weißen Leinenhemd mit dem gefältelten Kragen und der feinen Stickerei, obwohl sie ihm das natürlich nie gesagt hätte. Er trug die üblichen Kniebundhosen, olivgrün mit limettengrünem Seidenfutter, und ein besticktes Wams mit Knöpfen aus grünem Marmor.
»Oh, hallo«, krächzte er und legte lächelnd sein Buch weg. »Kommst du die Siechen besuchen?«
»So ungefähr.«
»Ist aber nicht nötig. Mir fehlt nichts weiter.«
»Das wird eines Tages noch auf deinem Grabstein stehen«, frotzelte Tania. »Hier liegt Clive Palmer – gestorben an nichts weiter.«
Sie setzte sich auf den Bettrand und legte ihrem Vater die Hand auf die Stirn.
»Du siehst nicht gut aus, Dad«, sagte sie und runzelte die Stirn. »Typisch, dass du ausgerechnet jetzt krank werden musst. So wie damals in Griechenland. Erinnerst du dich?«
Mr Palmer nickte. »Brütende Hitze, und ich lag mit einer Erkältung im Bett«, sagte er, nahm ihre Hand von seiner Stirn und hielt sie fest. »Aber zumindest hab ich eine Elfenhochzeit miterlebt.«
»Umwerfend, oder?«
»Sehr eindrucksvoll«, brummte ihr Dad. Es klang nicht gerade begeistert.
»Schade, dass du dich so wenig damit anfreunden kannst«, sagte sie. »Das hier ist wirklich , Dad – es geht nicht weg. Das hier bin ich. Und hierher gehöre ich. Kannst du dich denn gar nicht für mich freuen?«
Mr Palmer setzte sich auf und hustete ein bisschen. »Ich bin Physiklehrer, Tania«, sagte er. »Mein Leben und meine Arbeit beruhen auf bestimmten unverrückbaren Tatsachen – zum Beispiel, dass eins und eins zwei ist. Diese Welt hier ist nicht logisch zu erklären. Mein Gott, das alles hier könnte die
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